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Schulfach 
Ethik
Eingriff in die Religionsfreiheit? 
(Diskussion bei PhilTalk) 
  
 
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>> Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?  
 
 
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(Thema begonnen von: 
Eberhard 
am 22. Apr. 2006, 14:37 Uhr) 
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Titel: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von Eberhard am 
22. Apr. 2006, 14:37 Uhr 
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Hallo allerseits,
Im Land Berlin hat das Parlament die Einführung eines 
für alle Schüler verpflichtenden Fachs „Ethik“ beschlossen.
Dagegen haben 
jetzt einige betroffene Schüler das Bundesverfassungsgericht angerufen. Sie 
fühlen sich durch einen nicht christlich gebundenen Ethikunterricht in ihrer 
Religionsfreiheit beeinträchtigt.
Offenbar darf nach Auffassung der 
Kläger Ethik nur von den jeweiligen Religionsgemeinschaften für die jeweiligen 
Mitglieder dieser Religionsgemeinschaften erteilt werden. 
Ich halte eine 
solche Position aus folgenden Gründen für falsch. 
1. Für jede 
Gesellschaft ist es von zentraler Bedeutung, welche ethischen Normen gelehrt und 
sanktioniert werden, denn in ihnen wird deutlich, wie die Menschen miteinander 
umgehen.
2. In einer demokratischen Gesellschaft werden die Gesetze durch 
ein aus allgemeinen, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangenes 
Parlament beschlossen, wobei die Verfassung bestimmte Grundrechte aller Bürger 
garantiert.
3. Der demokratische Gesetzgeber hat die Aufgabe, sich der 
bestehenden Probleme anzunehmen, wie sie in den Meinungen der Wähler zum 
Ausdruck kommen.
4. Ein wichtiges Problem ist die zunehmende moralische 
Orientierungslosigkeit vieler Jugendlicher mit den Folgen zunehmender 
Jugendkriminalität und wachsender Probleme bei der Durchführung eines geordneten 
und lehrreichen Schulunterrichts. 
5. In dieser Situation ist die 
Einführung eines von allen Schülern zu besuchenden Unterrichtsfachs Ethik, in 
dem die Begründungen für die Einhaltung bestimmter Verhaltensnormen vermittelt 
und erörtert werden, grundsätzlich eine sinnvolle Maßnahme.
6. Das 
Argument, dass dies den Religionsgemeinschaften vorbehalten bleiben müsse und 
der Staat andernfalls in die Freiheit der Religionsausübung eingreife, ist nicht 
begründet, denn durch den allgemeinen Ethik-Unterricht wird ja niemand 
gehindert, seine eigene religiös begründete Auffassung von Ethik zu verbreiten 
und seine besonderen religiösen Gebräuche zu pflegen.
Oder?
fragt 
Eberhard.
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von 
Soulflyer777 am 22. Apr. 2006, 14:44 Uhr 
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Moin Ebi,
Das fand ich auch hammerhart!
Mein erster Gedanke zu dem Thema 
war"Na,welcher Kirchenverband sponsert diese Schüler wohl..."
Unglaublich...
Wie im Mittelalter...
Gruß,S.F 
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von 
Hanspeter am 22. Apr. 2006, 14:57 Uhr 
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Ja, Leute, das liegt im Trend. Deutschland hat leider nie eine strikte Trennung 
von Kirche und Staat vollzogen, wie das etwa in Frankreich der Fall ist. Und 
seit wir Papst sind, haben die Religiösen wieder Oberwasser. 
Die 
Behauptung, ein Ethikunterricht beeinträchtige die Religionsfreiheit, halte ich 
übrigens für völlig abwegig - was allerdings nicht heißt, dass die 
Budesverfassungsrichter das auch so sehen. Schließlich verbietet der 
Ethik-Unterricht ja nicht die Ausübung einer Religion.
Eine mögliche 
Alternative wäre, den Religions/Ethik-Unterricht ganz zu streichen und in den 
jeweiligen Fächern an gegebener Stelle direkt auf ethische Fragen einzugehen. 
Also etwa die Frage der Abtreibung im Biologieunterricht, die Frage von Recht 
und Gerechtigkeit im Sozialkundeunterricht usw. zu behandeln.
Gruß HP 
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von Rothko 
am 22. Apr. 2006, 17:24 Uhr 
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Wenn ich was zusagen hätte, würde ich den Religionsuntericht sofort durch 
Ethikuntericht ersetzen. Es müßten alle großen Religionen besprochen werden - 
insbesondere die Wertvorstellungen im Vergleich.
Eine aktuelle Frage bei uns 
in Deutschland ist doch:Kann ich mit Menschen grundsätzlich anderer 
Wertvorstellung Tür an Tür leben? Beispiel:Steht Familienehre über dem Recht zu 
Leben? Die Frage ist natürlich ob sich der fremde Nachbar dieses Recht selbst 
geschaffen hat oder seine Religion ihm das vorschreibt.Wann sind Unterschiede 
tolerierbar? Dazu müßte man Bescheid wissen. Ich hatte nur "Religion". 
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von 
doc_rudi am 22. Apr. 2006, 21:15 Uhr 
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Religionen sind Mord-Ideologien, sie lehren, wie man mit gutem Gewissen 
Andersgläubige umbringt. Es ist längst Zeit, derartige Ideologien aus der Schule 
zu verbannen.
Gruß
rudi 
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von 
Hanspeter am 22. Apr. 2006, 21:53 Uhr 
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Richtig, Rudi.
Nur sind Ideologien, die nicht auch das Töten 
Andersdenkender zulassen, ausgesprochen rar. Im Kalten Krieg hat man uns die 
"Vorwärtsverteidigung" beigebracht und wie man mit "Nichtdemokraten" verfährt, 
kannst du ja bei Dschordsch Dabblju lernen. 
Gruß HP
P.S. Mit dem 
Buddhismus ist, soweit ich ihn überblicke, das Töten Andersdenkender nur schwer 
zu begründen. 
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von Joy am 
23. Apr. 2006, 06:04 Uhr 
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on 04/22/06 um 21:53:04, Hanspeter wrote:Mit dem Buddhismus ist, soweit ich 
ihn überblicke, das Töten Andersdenkender nur schwer zu begründen. 
Selbst sogenannte Buddhisten töten... Wer niemals tötet, das ist die 
LIEBE. LIEBE -im Sinne von Agape- ist allumfassende Akzeptanz und reicht Dir die 
linke Wange, wenn Du ihr auf die rechte schlägst. LIEBE bekämpft nichts und 
verteidigt nichts, sie ist reinstes Sein selbst - das, was Du in Deinem 
"Wesenskern" selbst ewiglich bist. Du brauchst Dich nur zu erinnern, denn Du 
bist sie selbst. Leid ist immer nur dort, wo die Liebe abwesend ist und durch 
irgendwelchen "Stumpfsinn" kompensiert wird...
Gruß
Joy
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von 
Hanspeter am 23. Apr. 2006, 07:03 Uhr 
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Auch sogenannte Christen töte(te)n, und nicht gerade knapp. Wo doch das 
Christentum die Religion der Liebe ist, wie uns der Papst soeben per Enzyklika 
mitteilte. 
Und wie sprach schon der Begründer der Liebe - Jesus?
"Und 
diejenigen, die nicht wollen, dass ich König über sie sei, bringet sie zu mir 
und erwürget sie vor meinen Augen." (Lk 19,27). Selbstverständlich in Liebe.
Nebenbei - kein Scherz - die Hexenverbrennungen wurden als Liebesdienst 
theologisch begründet: Man wollte die gefallenen Seelen durch das Feuer 
reinigen, um ihnen die Höllenqualen zu ersparen. 
Die Ideologie der Liebe 
- nein danke :-).
Übrigens, wenn Buddhisten töten, heißt das noch lange 
nicht, dass man diese Tat durch die Lehren Buddhas begründen kann. Aggressives 
Missionieren ist eigentlich nicht Sache des Buddhismus. 
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von 
der-micha am 23. Apr. 2006, 07:14 Uhr 
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ich finde religionsunterricht kann ganz abgeschafft werden, allerdings nicht mit 
der alternation fach ethik, sondern mit einem fach zur berufsvorbereitung.
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von Joy am 
23. Apr. 2006, 07:48 Uhr 
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on 04/23/06 um 07:03:04, Hanspeter wrote:Auch sogenannte Christen töte(te)n, 
und nicht gerade knapp. Wo doch das Christentum die Religion der Liebe ist, wie 
uns der Papst soeben per Enzyklika mitteilte. 
Und wie sprach schon der 
Begründer der Liebe - Jesus?
"Und diejenigen, die nicht wollen, dass ich 
König über sie sei, bringet sie zu mir und erwürget sie vor meinen Augen." (Lk 
19,27). Selbstverständlich in Liebe.
Nebenbei - kein Scherz - die 
Hexenverbrennungen wurden als Liebesdienst theologisch begründet: Man wollte die 
gefallenen Seelen durch das Feuer reinigen, um ihnen die Höllenqualen zu 
ersparen. 
Die Ideologie der Liebe - nein danke :-).
Übrigens, 
wenn Buddhisten töten, heißt das noch lange nicht, dass man diese Tat durch die 
Lehren Buddhas begründen kann. Aggressives Missionieren ist eigentlich nicht 
Sache des Buddhismus. 
Verstehen, lieber HP, wirst Du die 
Christusworte erst dann, wenn Du die "Ebene" in Dir selbst erkennst, aus der 
heraus sie gesprochen wurden. Und das "institutionalisierte Christentum" hat mit 
LIEBE überhaupt nichts, gar nichts zu tun. Nicht Jesus Christus hat eine Kirche 
oder das "Christentum" gegründet. 
Wenn Du einmal selbst erkennst, dass 
Du als "HP" selbst die (objektivierte) Ebene bist, die "Jesus" ist und dieser 
Verschiedenheit von "HP" und "Jesus" der eine "Christusgeist" sozusagen zugrunde 
liegt, dann wirst auch Du verstehen, was die Worte des Christus heissen: "Und 
diejenigen, die nicht wollen, dass ich König über sie sei, bringet sie zu mir 
und erwürget sie vor meinen Augen." Hier werden Illusionen erwürgt, hier sterben 
gedanklich objektivierte "Ich's" (= Ego's), mentale Vorstellungen, die niemals 
wirklich gelebt haben: Lasst die Toten ihre Toten begraben... Eben deswegen 
heisst es auch im Buddhismus, dass wenn Du Buddha triffst, Du ihn totschlagen 
sollst. Du musst tiefer "in Dich selbst" hineingehen, Dich selbst mit aller 
Konsequenz hinterfragen, um diese verbalen Aussagen in ihrem wirklichen Kontext 
zu verstehen, musst quasi "zwischen den Zeilen" lesen, um zu verstehen und nicht 
nur "auf den Zeilen". Du musst erkennen, worauf diese Worte "in Dir" selbst 
verweisen, denn nur um Dich allein geht es dort. DU, das was Du wirklich bist, 
das ist dieser "Christus- bzw. Buddhageist", nach dem Du als HP in der Welt 
suchst - ER ist das lebendige Erkennen, das totale Verstehen selbst, ist reine 
LIEBE.
Und ich schreibe das hier deswegen, weil es ein Philosophie-Forum 
ist (Philosophie = LIEBE + Weisheit, nicht aber logisches Denken + Wissen).
Gruß
Joy
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von 
ludovico am 23. Apr. 2006, 11:22 Uhr 
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Liebe als Ideologie? Auf was für einen Mangel will uns diese Aussage wohl 
hinweisen?
L.
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von Abrazo 
am 23. Apr. 2006, 19:58 Uhr 
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@ Joy:
1. wollen wir hier über das Problem Ethik ./. Religionsunterricht 
reden,
2.
Und ich schreibe das hier deswegen, weil es ein 
Philosophie-Forum ist (Philosophie = LIEBE + Weisheit, nicht aber logisches 
Denken + Wissen). 
Um das Forschungsgebiet einer 2.500 Jahre alten 
Wissenschaft umzudefinieren bist Du zu klein.
So. @ all:
Ich 
schlage vor, wir schauen uns erst einmal die Tatsachen an.
Schulsenator 
Böger hatte ursprünglich den Plan, das Fach Ethik/Philosphie/Religionskunde 
einzuführen, und zwar alternativ zum Religionsunterricht, so dass Schüler die 
Wahl gehabt hätten, entweder zum Religionsunterricht oder zum Ethikunterricht zu 
gehen - im Gegensatz zur jahrzehntealten Möglichkeit, sich mit 14 aus dem 
Religionsunterricht abzumelden und die Freistunde zu genießen.
Die 
Mehrheit der Berliner Stadtbezirke sprach sich gegen die Wahlmöglichkeit aus: 
Ethikunterricht solle ungeachtet der Religionszugehörigkeit für alle verbindlich 
sein.
Die Verfassungsklage dürfte mit dem bereits in Diskussionen 
genannten Argument kommen, ein alleiniges staatliches Pflichtfach, ohne die 
Möglichkeit als Alternative Religionsunterricht zu wählen, verstoße gegen die im 
Grundgesetz garantierte positive Religionsfreiheit. 
Es geht dabei um 
Artikel 4 GG:
(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die 
Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.
(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.
(3) Niemand 
darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das 
Nähere regelt ein Bundesgesetz.
Ich würde mal sagen, die Kläger 
werden behaupten, niemand dürfe gegen sein Gewissen zur Teilnahme am 
nicht-religiösen Ethik-Unterricht gezwungen werden.
Ich prognostiziere 
mal, dass die Kläger damit durchkommen. Nicht, weil ich das für richtig halte, 
sondern weil das so in unserer Verfassung steht.
Nun stimme ich Dir, 
Eberhard, darin zu, dass die Werte der Verfassung für alle verbindlich sind 
(obwohl sie nach juristischer Ansicht hauptsächlich für den Staat verbindlich 
sind, ihn binden sie). Auf jeden Fall sind sie verbindlich für Religionslehrer, 
denn, auch das steht im Grundgesetz, die Freiheit der Lehre entbindet nicht von 
der Treue zur Verfassung. Und da der Staat das Recht hat, das zu kontrollieren, 
sehe ich in dieser Hinsicht keine Gefahr.
Das Problem, das ich dabei 
sehe, und das wird wohl auch der Hintergrund sein, warum die Kirchen sich gegen 
einen für alle Schüler verbindlichen Ethikunterricht wehren, ist die Begründung 
der Ethik. Und das ist in der Tat m.E. eine Schwachstelle. Denn die populäre 
Begründung lautet, die ethischen Werte gelten weil, dat hammer so vereinbart. 
Reflektieren also letztlich auf einen fiktiven Gesellschaftsvertrag. Dem kann 
man entgegen halten: na jut, vereinbaren wir dat eben anders. Eigentum ist 
Diebstahl, wer auf Hartz IV ist, bediene sich kostenlos aus dem Supermarkt. Dem 
steht zwar die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes entgegen, aber, wie gesagt, 
wenn das so vereinbart ist, dann kann man das auch anders vereinbaren.
Die Kirchen halten dagegen: das gilt wegen der 10 Gebote: du sollst nicht 
stehlen. Das hat Gott so befohlen, also ist das auf ewig unabänderlich. Und 
behaupten, Ethikunterricht sei im Grunde Quatsch, stabile Werte könne es nur mit 
der Religion geben, vulgo, Gottesfurcht. Wer gegen die göttlichen Gebote 
verstößt, wandert eben in die Hölle. Hätt sich dä Fall.
(Na ja, nich ganz. 
Man muss das halt reuevoll je nach Bekenntnis Gott oder dem Priester beichten, 
dann wäscht Jesu Blut die Sünde wieder ab. Was sich in den letzten paar hundert 
Jahren als recht praktische Einrichtung erwiesen hat.)
Für die Kirchen 
dürfte die Begründung der Werte eine der letzten Bastionen für die Behauptung 
der menschlichen und gesellschaftlichen Notwendigkeiten der Religion sein. Sie 
aufzugeben geht natürlich an die Substanz.
Und die Ethiklehrer müssen 
sich auf die Frage vorbereiten: und wenn ich anderer Ansicht bin, was dann? Was, 
wenn ich der Ansicht bin, es sei eine gute Tat, die Rasse natürlich rein zu 
halten und Türken und Schwarze aus meinem Revier zu prügeln? Wenn ich damit 
missionieren gehe? Jut, is verboten. Aber wer mit dieser Begründung kommt, 
sollte besser Verfassung und Rechtskunde unterrichten. Was ich übrigens 
bevorzugen würde. Auch da kann man Werte vermitteln - dann allerdings wirklich 
neutral.
Bei uns in Köln läuft Ethik- und Religionsunterricht schon seit 
als Wahlpflichtfach Jahren parallel. Wieso diese Lösung etlichen berliner 
Stadtbezirken nicht gepasst hat, ist mir, ehrlich gesagt, nicht so ganz klar.
Grüße 
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von Alltag 
am 23. Apr. 2006, 20:25 Uhr 
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:-) Hallo Allseits,
Das hat uns gerade noch gefehlt! Jetzt geht's noch 
fünf Minuten bis in Mitteleuropa der x-te Religionskrieg ausbricht! 
Gegebenenfalls bleibt nur noch zu hoffen, dass keiner hin geht.
Danke & 
Gruss --- Euer gottgefällige Alltag 
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von Abrazo 
am 23. Apr. 2006, 21:06 Uhr 
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Nicht bei uns im heiligen Köln.
:-)
Da hatte man allerdings einen etwas 
profaneren Grund: warum sollen Schüler, die nicht am katholischen oder 
evangelischen Religionsunterricht teilnehmen wollen, das Recht haben, statt 
dessen im Kaufhof daddeln zu gehen? Nix da, die kriegen Ethikunterricht. 
Und da der für die entschiedenen Nichtevangelen oder - katholen war, war der 
tatsächlich neutral. Meine Tochter hat dran teilgenommen - war nichts dran 
auszusetzen.
In Berlin, fürchte ich, wird man sich da eher um 
preussisch-staatserhaltende Indoktrination bemühen. Das wäre erst recht nicht 
nach meinem Geschmack. 
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von 
Hanspeter am 23. Apr. 2006, 22:05 Uhr 
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Schule ist nun einmal Ländersache und ich sehe keinen Grund, den Ländern zu 
verbieten, den Religionsunterricht aus der Schule zu verbannen. Sogar in den USA 
ist das so.
Ich sehe auch keinen Widerspruch zum §4 des Grundgesetzes. 
Weder wird dadurch die Religionsausübung behindert - außerhalb der Schule können 
sie ja machen was sie wollen - noch entnehme ich diesem Paragraphen eine Pflicht 
des Staates, Religionslehrer zu bezahlen und auf die Kinder loszulassen.
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von Abrazo 
am 24. Apr. 2006, 00:03 Uhr 
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Dann richte Deine Augen doch mal bitte auf den Ethik-Unterricht. Was soll er 
vermitteln? Welche Inhalte soll er haben? Wie soll das, was vermittelt wird, 
begründet sein?
Hier, nimm Artikel 2 GG:
(1) Jeder hat das Recht 
auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte 
anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das 
Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche 
Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf 
nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
Nu begründe mal 
besonders die unterstrichene Passage. In einer Schulklasse, in der ein Teil es 
vollkommen in Ordnung findet, die ungehorsame Schwester um die Ecke zu bringen, 
der andere Teil in der Freizeit Ausländer klatschen möchte und wieder ein 
anderer Teil überlegt, wer sich am besten als Opfer eignet, um das nächste 
Gewaltvideo fürs Handy zu drehen. Wobei du wg Art. 4 GG Rücksicht auf die Kinder 
nehmen musst die sagen, "ne, das hat doch der liebe Gott verboten."
Mach 
mal Vorschlag.
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von Joy am 
24. Apr. 2006, 01:56 Uhr 
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on 04/24/06 um 00:03:36, Abrazo wrote:Wobei du wg Art. 4 GG Rücksicht auf 
die Kinder nehmen musst die sagen, "ne, das hat doch der liebe Gott verboten."
Der "liebe Gott" hat gar nichts verboten! Er hat nur 
"geboten", sich soundso zu verhalten. Es sind "Gebote", keine "Verbote". LIEBE 
kennt keine Verbote - der "Staat" hingegen ist nur eine intellektuelle 
Machtkonstruktion und definiert sich wiederum nur aus "Verboten", welche er mit 
Gewalt gegen jene durchsetzt, die der "Staat" letztlich selbst sind, denn einen 
"Staat" ohne Menschen gibt es nicht. "Staat" ist das Prinzip "divide et impera", 
die Abwendung, die Abwesenheit von "Gott", was nur ein anderer Begriff für 
"LIEBE" ist. Der "Staat" definiert "Feindbilder", alles das, was es zu bekämpfen 
gilt.
Die LIEBE sagt hingegen: Liebe deine Feinde, Deine Feindbilder. 
Einem intellektuellen berechnenden noch blinden Geist erschliesst sich diese 
Weisheit des Herzens (Herz = Geist) freilich nicht, denn ein intellektueller 
Geist ist noch immer tief im Stadium der geistigen Pubertät befindlich, also 
weitestgehend völlig unbewusst, denn für ihn ist das unterscheidende 
begriffliche Denken die alleinige Wirklichkeit - er glaubt sogar, dass seine 
intellektuellen Konzepte was mit Philosophie zu tun hätten...
Gruß
Joy
--------------------------------------------------------------------------------
Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von 
Hanspeter am 24. Apr. 2006, 08:34 Uhr 
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@Abrazo:
Dein Verweis auf das Grundgesetz zieht nicht. Kinder müssen erzogen 
werden - man kann nicht Kinder einfach sich selbst überlassen und auf das 
Grundgesetz verweisen. Ihre Persönlichkeit muss erst geformt werden - durch die 
Eltern und eben auch durch die Schule = Gesellschaft. Oder willst du die 
Erziehung lieber den Medien überlassen?
Im Ethik-Unterricht kann man:
a: Einen Überblick über die vorhandenen Religionen und sonstigen Ideologien 
inkl. ihrer Moralvorstellungen vermitteln.
b: Real existierende Probleme (zB. 
Erkenntnistheorie, soziale Fragen, Drogen, Abtreibung etc.) diskutieren und die 
Ansichten der verschiedenen Moralen gegenüberstellen und vergleichen. 
@Joy: Wenn du dich schon auf den Gott der Bibel berufst, solltest du dir auch 
einmal die Mühe machen, diese Bibel zu lesen. 
Es ist dort zwar von den 10 
Geboten die Rede, aber in den unmittelbar anschließenden Ausführungsbestimmungen 
heißt es ganz klar: Wer sich nicht an das Sabbatgebot hält, soll gesteinigt 
werden. Und in der Bergpredigt lesen wir, wer seinem Bruder zürnt, soll dem 
höllischen Feuer verfallen sein. 
Ein göttliches Gebot ist also de facto das 
Verbot des umgekehrten Vorgangs. Bei Zuwiderhandlungen meistens Todesstrafe. 
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von 
Soulflyer777 am 24. Apr. 2006, 08:34 Uhr 
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Moin Abrazo,
Genau darum geht es.
Substanzverlust.
Die Kirche hat 
viele Lehrer,
und keine Schüler.
Die Schule hat viele Schüler,
und 
keine Lehrer.
Welche Möglichkeiten hat die Kirche eigentlich noch,um ihr 
Gesicht nicht völlig zu verlieren,frag ich mich grade...
Was würde diese 
Institution für einen jungen Menschen wieder interessant machen?
Oder ist der 
Zug ein für alle mal abgefahren?
Mit der Aktion die sie da grade gestartet 
hat,erreicht sie jedenfalls genau das Gegenteil von dem,was sie eigentlich 
erreichen will.
Gruß,S.F 
--------------------------------------------------------------------------------
Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von Abrazo 
am 24. Apr. 2006, 08:36 Uhr 
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@ Joy:
Du bist hier im Forum politische Philosophie, Rechtsphilosophie, 
Wirtschaftsphilosophie und das Thema lautet 'ist Ethik-Unterricht ein Eingriff 
in die Religionsfreiheit'.
Das Thema lautet nicht, wie bringe ich Kindern 
eine andere Religion bei. Allein schon aus dem Grund, weil es verfassungswidrig 
ist, Kinder und Jugendliche im Ethikunterricht mit solchen Sermonen zu 
traktieren: Eingriff in die Religionsfreiheit.
Bevor Du anderen was von 
Liebe erzählen willst, übe sie bitte erst einmal praktisch, z.B. dadurch, dass 
Du Philosophieinteressierte nicht mit Glaubenssätzen traktierst und ihren Thread 
nicht mit Labereien zumüllst, die nichts mit dem Thema zu tun haben. Das ist 
eine Frage von Rücksichtnahme, und wer dazu nicht in der Lage ist, braucht das 
Wort Liebe gar nicht erst in den Mund zu nehmen, weil er durch seine Handlungen 
seine Sätze selbst als leeres Gerede widerlegt.
Also trag was zum Thema 
bei oder halt die Klappe. 
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von Abrazo 
am 24. Apr. 2006, 09:18 Uhr 
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Kinder müssen erzogen werden 
Ich bin bekennende Antipädagogin. Seit 
meiner Schulzeit, in der ein Pädagogikbuch den Unterschied zwischen Bildung und 
Erziehung mit dem Bild zu verdeutlichen suchte vom Sokrates im Kreise seiner 
Schüler und von Pestalozzi 'mit dem Kinde auf dem Arm'. Ich fand, wo ein 
Sokrates sitzt, wird ein Pestalozzi nicht gebraucht. Mit dieser Ansicht bin ich 
bisher hervorragend gefahren, nicht nur bei meiner eigenen Tochter, sondern auch 
bei durchaus sozial problematischen Kindern und Jugendlichen, und wenn mich ein 
Erziehungsfan gefragt hat, wie ich es denn angestellt hätte, meine Tochter so 
gut zu erziehen, gab ich mit Hochgenuss die Antwort: ich hab sie gar nicht 
erzogen.
Ich unterschreibe lieber den letzten Satz von Saint-Ex im Buch 
'Wind, Sand und Sterne': Nur der Geist, wenn er den Lehm behaucht, kann den 
MENSCHEN erschaffen. Wenn ich in die Geschichte schaue, stelle ich fest, das 
Ergebnis einer Erziehung ohne Geist war mindestens so übel wie heute die 
Nichterziehung ohne Geist. An der Frage Erziehung oder Nichterziehung liegts 
imho nicht.
Im Ethik-Unterricht kann man: 
a: Einen Überblick über die 
vorhandenen Religionen und sonstigen Ideologien inkl. ihrer Moralvorstellungen 
vermitteln. 
Warum soll man das?
1. ist für alle mir bekannten 
Religionen Gott der oberste Gesetzgeber und die theoretischen Moralauffassung 
sind nicht gar so unterschiedlich;
2. garantiere ich Dir fast, dass unter den 
älteren Schülern paar aufstehen und behaupten, so sei ihre Religion gar nicht, 
das sei alles verfälscht (und dass fundamentalistische Christen es mal wieder, 
wie in Paderborn, mit Schulboykott probieren).
3. und wo bleibt der 
Unterricht für Atheisten? Denn der kann sich ja wohl nicht darin erschöpfen, 
einen religiösen Wühltisch zum Aussuchen anzubieten. Oder willst Du
4. 
zusätzlich Sowjetkommunismus, Nationalsozialismus, Manchesterkapitalismus usw. 
in den Wühltisch geben?
Will sagen:
Real existierende Probleme 
(zB. Erkenntnistheorie, soziale Fragen, Drogen, Abtreibung etc.) diskutieren und 
die Ansichten der verschiedenen Moralen gegenüberstellen und vergleichen. 
Ist der Wühltisch, die Beliebigkeit das Ziel oder besteht die Möglichkeit, 
sich auf irgend etwas als gemeinsam zu einigen?
P.S.: Schon mal mit 
Leuten diskutiert, die Cannabis für ein 'Heiliges Kraut' halten und verlangen, 
der Konsum solle gleichberechtigt mit der Drogenproblematik besprochen werden?
Hypothese:
Unter den unterschiedlichen Religionen, Ideologien, 
Weltanschauungen und Auffassungen ist ein neutraler Konsens nicht möglich. 
Dieses Unmögliche zu versuchen führt notwendigerweise in die Beliebigkeit. Ist 
Ethik beliebig?
Was würde diese Institution für einen jungen Menschen 
wieder interessant machen? 
Nicht bös sein, aber das ist mir ehrlich 
gesagt egal. Sch-meine, ich achte Religionen, aber so was ist doch nun 
theologisches Thema und kein philosophisches, oder? (höchstens inne 
Religionsphilosophie). 
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von 
Soulflyer777 am 24. Apr. 2006, 09:30 Uhr 
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Manchmal hab ich so den Eindruck das das Schlimmste was einem eingefleischtem 
Philosophen passieren kann eine Lösung zu finden ist.
Auch nicht bös 
gemeint,
S.F 
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von Abrazo 
am 24. Apr. 2006, 11:05 Uhr 
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Längst nicht überall, wo Philosophie drauf steht, ist auch Philosophie drin.
Es ist z.B. da keine Philosophie drin, wo einer sagt, Meinungsfreiheit, mach 
doch, was du willst. Denn da geht es um das, was einem aus subjektiven Gründen 
schmeckt und nicht um das, was Sache ist, vor allem dann, wenn man das ganze 
Problemfeld betrachtet und nicht nur den Quadratmeter Rüben, den man gerade vor 
Augen hat und von dem sich wegzubewegen manchem viel zu mühsam erscheint.
Das Ergebnis ist das, was wir heute haben: eine zerfallende Gesellschaft, 
die der Beliebigkeit huldigt - und der Auswahl qua Werbung.
Und alle 
möglichen unappetitlichen Grüppchen und Sektierer, für die die Abkehr von der 
Religion (der jeweils eigenen natürlich) die Ursache allen Übels ist, welches es 
durch Missionierung bis hin zum Krieg gegen das Reich des Satans zu beseitigen 
gilt.
Auch ne Lösung, aber keine philosophische - und ziemlich 
gesundheitsschädlich.
Lösungen fallen auch in der Philosophie nicht vom 
Himmel. Die muss man sich erarbeiten, und das ist hart und kann dauern.
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von 
Prometheus am 24. Apr. 2006, 15:34 Uhr 
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Bitte???
Ethik soll ein Eingriff in die Religionsfreiheit sein?
Und Religion als Fach der Kirche nicht???
In einem säkulären Staat???
Da gibt man der Kirche eine Plattform, Mitglieder zu missionieren und ein 
neutraler Unterricht wie Ethik/Philosophie ist ein Eingriff???
Vollkommen 
wahnsinnig???
(Haben nicht 2 Mädchen dagegegen geklagt? Sollte ich 
mal mit dem Fach Religion versuchen...) 
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von Abrazo 
am 24. Apr. 2006, 16:57 Uhr 
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Die Frage, ob in Schulen Religionsunterricht erteilt wird, ist in der Verfassung 
geklärt:
Art 7
(1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht 
des Staates.
(2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die 
Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen.
(3) Der 
Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der 
bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen 
Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den 
Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen 
Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen.
Die 
bekenntnisfreie Schule ist bisher nicht die Regelschule. Fraglich ist, ob das 
Grundgesetz die Einführung der bekenntnisfreien Schule als Regelschule 
gestattet, denn die bekenntnisfreie Schule hat offenbar den gleichen Status wie 
eine Bekenntnisschule (also evangelische oder katholische). 
Bekenntnisfrei ist nicht bekenntnisneutral. Insofern ist auch die 
bekenntnisfreie Schule weltanschaulich geprägt und damit nicht neutral. In einer 
bekenntnisfreien Schule gibt es ebensowenig Wahlmöglichkeit wie in einer 
Bekenntnisschule - und genau um diese Wahlmöglichkeit geht es.
Und da in 
diesem Unterricht nicht Wissen, sondern Werte vermittelt sollen, stellen die 
Eltern wohl die Frage, ob es verfassungsgemäß ist, wenn ihren Kindern mangels 
Alternative gezwungenermaßen nichtreligiöse Werte vermittelt werden sollen.
Womit ich wieder bei der Frage wäre, womit sollen denn die Werte begründet 
werden, die den Schülern vermittelt werden sollen?
Die alte DDR-Schule 
hatte damit kein Problem: die vermittelte die Werte des Marxismus-Leninismus. 
Aber wie sieht die Sache bei uns aus?
Die Werte des Grundgesetzes? Wäre 
ich sehr einverstanden mit. Nur wäre das dann kein Unterricht in Ethik, 
Philosophie, Religionskunde, sondern Recht und Staatsbürgerkunde.
Wobei 
ich mich frage, wieso werden denn diese offenbar als untauglich angesehen, um 
Werte zu vermitteln? 
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von 
Eberhard am 24. Apr. 2006, 19:08 Uhr 
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Hallo allerseits,
nachdem es zuerst den Anschein hatte, dass es nicht 
viel zu diskutieren gibt, wurde nun doch eine Gegenposition bezogen. Nach 
schöpferischer Pause kehrt Abrazo zurück, um bei Philtalk die philosophischen 
Rodungsarbeiten wieder aufzunehmen. 
Aber da es allerdings im Garten der 
Philosophie nicht nur zu roden sondern auch zu pflegen gibt, liegt mir viel 
daran, die einzelnen Streitpunkte und Argumente möglichst klar zu ordnen. 
Mein Eröffnungsbeitrag bezieht sich allein auf die Frage, ob ein 
Ethikunterricht für alle Schüler verfassungswidrig ist, weil der gegen das 
Grundrecht der freien Religionsausübung verstößt.
Es geht also nicht um 
die Frage, ob ein Wahlpflichtfach Religion bzw. Ethik besser wäre als ein 
Pflichtfach Ethik mit freiwilligem Religionsunterricht. 
Es geht auch 
nicht um die Frage, ob es den Kirchen gefällt, wenn sich jetzt auch die 
öffentlichen Schulen mit der Vermittlung moralischer Normen und Werte befassen, 
was Jahrhunderte lang ihre ureigenste Domäne war. 
Es geht auch nicht 
darum, wie dieser Ethikunterricht inhaltlich zu gestalten ist, es sei denn, man 
ist der extremen Meinung, dass es überhaupt keine Theorien gibt, die bestimmte 
ethische Prinzipien und Normen formulieren und dies argumentativ zu begründen 
versuchen. 
Wir sollten also immer im Auge behalten, dass es – zumindest 
vorerst – nur um die Frage geht: Ist ein Schulfach Ethik für alle Schüler mit 
dem Grundgesetz zu vereinbaren?
Das Argument von Abrazo hierzu stützt 
sich auf eine Analogie zwischen dem Ethikunterricht und der Wehrpflicht: So wie 
niemand zum Dienst an der Waffe gezwungen werden dürfe, so dürfe auch niemand 
zum Ethikunterricht gezwungen werden. 
Diese Analogie leuchtet mir nun 
überhaupt nicht ein. Inwiefern ist die Lektüre und Behandlung von Immanuel Kant 
oder John Stuart Mill ein Gewissensproblem?
Ich sehe da eher eine 
Analogie zwischen dem Ethikunterricht und dem Unterricht in „Politischer 
Weltkunde“ (Sozialkunde, Gemeinschaftskunde, Gegenwartskunde). 
Was die 
theoretischen Grundlagen angeht, ist z.B. die Situation in der Demokratietheorie 
keineswegs gefestigter als in der Ethik. Trotzdem verzichten wir nicht auf die 
Vermittlung und Erörterung der theoretischen Grundlagen der Demokratie in der 
Schule. 
Dass die Begründung moralischer Normen nicht so beliebig ist, 
wie Abrazo meint, hat sie sehr konkret selber demonstriert, als sie schrieb: 
„Bevor Du anderen was von Liebe erzählen willst, übe sie bitte erst einmal 
praktisch, z.B. dadurch, dass Du Philosophieinteressierte nicht mit 
Glaubenssätzen traktierst und ihren Thread nicht mit Labereien zumüllst, die 
nichts mit dem Thema zu tun haben. Das ist eine Frage von Rücksichtnahme, und 
wer dazu nicht in der Lage ist, braucht das Wort Liebe gar nicht erst in den 
Mund zu nehmen, weil er durch seine Handlungen seine Sätze selbst als leeres 
Gerede widerlegt.“
Dieser Appell zur Rücksichtnahme gegenüber den 
Interessen anderer bezieht sich auf ein ethisches Grundprinzip, das m.E. auch 
ohne die Offenbarung eines göttlichen Willens erörtert und begründet werden 
kann. 
Wenn nur dies Prinzip gegenseitiger Rücksichtnahme jedem Kind, das 
in unserer Gesellschaft heranwächst, in der Schule einsichtig vermittelt werden 
könnte, dann wäre für unser Zusammenleben bereits viel gewonnen,
meint 
Eberhard.
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von 
doc_rudi am 24. Apr. 2006, 19:19 Uhr 
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Hallo,
wie schon gesagt, kann jeder außerhalb der Schule machen und glauben, 
was er will, so dass die Abschaffung des Religionsunterrichts nicht gegen die 
Religionsfreiheit verstoßen würde. Im Gegenteil: wenn die Religion A Unterricht 
in der Schule geben darf, dann wollen natürlich die Religionen B, C, D, E usw. 
das gleiche Recht. Da in Berlin minedstens 3 Religionen stark vertreten sind, 
wollen die Moslems natürlich ihre Scheiße genau wie die Katholiken in der Schule 
lehren. Und das ist in Berlin das Problem. Da beliebig viele Religionen denkbar 
sind, könnte schließlich kein normaler Unterricht mehr stattfinden.
Nun sind 
sie in Berlin auf die Ethik gekommen, was das Gleiche in grün ist. Statt schönen 
Philosophieunterricht zu machen, in dem diskutiert werden kann, was Wahrheit 
ist, wird die eigentliche Absicht, die Moslems rauszuhalten, mal wieder 
verbrämt.
Es könnte neben Philosophie auch Gemeinschaftskunde unterrichtet 
werden, weil nämlich das Zusammenleben in einer Gemeinschaft es erfordert, sich 
an Regeln zu halten. Die Frage, warum Regeln und welche Regeln, wäre doch ein 
gutes Unterrichtsthema, das man nicht mit Ethik oder Moral verbrämen sollte. 
Vernünftiges Denken und entsprechendes Handeln mit Verzicht auf körperliche 
Gewalt reicht doch. Also: Religionen, Moral und Ethik raus aus der Schule und 
klare Regeln rein. 
Nebenbei: das eigentliche Problem, nämlich was soll die 
Gemeinschaft mit denen machen, die die Regeln nicht einhalten, haben die Schulen 
in Berlin alle noch nicht gelöst, da ist die bekannte Neuköllner Schule kein 
Einzelfall.
Gruß
rudi
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von 
Hanspeter am 24. Apr. 2006, 22:17 Uhr 
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Streng genommen sollte Ethik (im Gegensatz zur Moral) eine Wissenschaft sein, 
die die verschiedenen Moralen der verschiedenen Ideologien, darunter auch die 
der Religionen, beschreibt, vergleicht und wissenschaftlich untersucht, ohne 
selbst ein Werturteil abzugeben. 
Was gegen diese Wissensvermittlung 
sprechen soll, weiß ich nicht. 
Wenn aber Rudi meint: "Die Frage, warum 
Regeln und welche Regeln, wäre doch ein gutes Unterrichtsthema, das man nicht 
mit Ethik oder Moral verbrämen sollte." dann irrt er. Diese Regeln sind nämlich 
nicht anderes als Moral. Und die in einer Gesellschaft gültige Moral muss man 
eben erlernen. Sonst nimmt sich die Gesellschaft das Recht, entsprechende 
Sanktionen zu verhängen. Zu Recht, wie ich meine.
Daraus folgt: In einem 
guten Ethikunterricht sollten und werden die verschiedenen Religionen ebenso 
behandelt, wie die derzeit gültige Staatsmoral. 
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von Abrazo 
am 24. Apr. 2006, 22:24 Uhr 
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Hi, zusammen, hi Eberhard,
so einfach, wie Du das behauptest, sehe ich 
die Sache ganz und gar nicht.
Dieser Appell zur Rücksichtnahme gegenüber 
den Interessen anderer bezieht sich auf ein ethisches Grundprinzip, das m.E. 
auch ohne die Offenbarung eines göttlichen Willens erörtert und begründet werden 
kann. 
Nun, dann begründe doch mal!
Denn Du solltest nicht 
übersehen, dass ich keineswegs zur Rücksichtnahme als allgemeines ethisches 
Prinzip appelliert habe, sondern darauf hingewiesen habe, dass einer, der ein 
bestimmtes Prinzip für sich als grundlegend in Anspruch nimmt, unglaubwürdig 
ist, wenn er sich in seinem Handeln nicht selbst danach richtet.
Das 
heißt: man kann ohne weiteres sagen, wer dies als ethisches Prinzip behauptet, 
muss das tun, sonst ist er nicht seriös. Der Knackpunkt ist aber der, dass man 
eben durchaus unterschiedliche ethische Prinzipien als für einen selbst 
vorrangig behaupten kann. Wenn man einen neutralen Ethik-Unterricht geben will: 
welches sind denn die neutralen ethischen Prinzipien?
Demokratie ist das 
Organisationsprinzip unseres Staates. Dat jilt et hier. Folglich kann man die 
demokratischen Prinzipien lehren, ohne sie begründen zu müssen. So, wie man eben 
Recht und Staatsbürgerkunde allgemein lehren kann, ohne sie ethisch begründen zu 
müssen; dieses Recht gilt hier, hätt sich dä Fall.
Willst Du hingegen 
Demokratie als ethischen Wert begründen und so vermitteln, kommst Du damit 
gewaltig in die Bredouille. Ist Dir aufgefallen, dass unsere egozentrischen 
Solipsisten so gut wie nie etwas für Demokratie übrig haben? Was auch völlig 
normal ist, denn was, bitte schön, will ein Egozentriker mit 
Mehrheitsentscheidungen? Du siehst, Du brauchst noch nicht mal die bekannten 
politischen Ideologien zu bemühen.
Ist ein Schulfach Ethik für alle 
Schüler mit dem Grundgesetz zu vereinbaren? 
Die Voraussetzung dafür wäre, 
dass eine für Schüler verständliche Wertevermittlung ohne weltanschaulichem 
Hintergrund möglich wäre. Wie zum Beispiel? Da ich da noch gewissen 
Arbeitsbedarf für Ethiker sehe, hätte ich dafür schon gerne konkrete Beispiele.
Inwiefern ist die Lektüre und Behandlung von Immanuel Kant oder John Stuart 
Mill ein Gewissensproblem? 
In der Grund-, Haupt- und Realschule? 
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von Gordon 
am Vorgestern, 08:01 Uhr 
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Dass der Staat weltanschaulich neutral zu sein habe, ist eine nahezu 
unbestrittene Auffassung. Jetzt fängt er an, weltanschauliche Erziehung zur 
staatlichen Aufgabe zu erklären, jedenfalls in Brandenburg und Berlin und 
bekommt dafür Beifall. Warum? Weil man sich darüber freut, dass es gegen die 
Kirchen geht, die den Ersatz des Religionsunterrichts durch die sogenannte LER 
ablehnen. Im Osten ist man eh gewohnt, weil der Staat bis 1989 genau das gemacht 
hat.
Es gibt keinen neutralen Ethikunterricht. Kinder wollen wissen, wie 
der Lehrer selbst für sich ethische Fragen beantwortet. Wenn er sich entzieht 
wirkt er unglaubwürdig. Darum kann es auch keinen neutralen Religionsunterricht 
geben. 
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von 
Soulflyer777 am Vorgestern, 09:19 Uhr 
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on 04/24/06 um 22:17:59, Hanspeter wrote:Streng genommen sollte Ethik (im 
Gegensatz zur Moral) eine Wissenschaft sein, die die verschiedenen Moralen der 
verschiedenen Ideologien, darunter auch die der Religionen, beschreibt, 
vergleicht und wissenschaftlich untersucht, ohne selbst ein Werturteil 
abzugeben. 
Was gegen diese Wissensvermittlung sprechen soll, weiß ich 
nicht. 
Wenn aber Rudi meint: "Die Frage, warum Regeln und welche Regeln, 
wäre doch ein gutes Unterrichtsthema, das man nicht mit Ethik oder Moral 
verbrämen sollte." dann irrt er. Diese Regeln sind nämlich nicht anderes als 
Moral. Und die in einer Gesellschaft gültige Moral muss man eben erlernen. Sonst 
nimmt sich die Gesellschaft das Recht, entsprechende Sanktionen zu verhängen. Zu 
Recht, wie ich meine.
Daraus folgt: In einem guten Ethikunterricht 
sollten und werden die verschiedenen Religionen ebenso behandelt, wie die 
derzeit gültige Staatsmoral. 
Moin H.P,
So seh ich das auch.
Die in einer Gesellschaft gültige Moral,muß man erlernen.
Gruß,S.F 
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von Abrazo 
am Vorgestern, 09:41 Uhr 
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Jetzt fängt er an, weltanschauliche Erziehung zur staatlichen Aufgabe zu 
erklären
Genau das ist das Problem. Übersehen wird der wesentliche 
Unterschied zwischen Wissensvermittlung (die selbstverständlich verfassungsgemäß 
ist, begründet letztlich durch die Freiheit der Wissenschaft) und 
Wertevermittlung. Und darüber hat der Staat nun mal nicht zu befinden, sofern 
die zu vermittelnden Werte nicht mit der Verfassung kollidieren. Hier gilt 
nämlich Art. 4 GG Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit. 
Terminus 
des Bundesverfassungsgerichtes (BVG): wertorientierter Unterricht.
Darum 
kann es auch keinen neutralen Religionsunterricht geben.
Das sowieso 
nicht. 
Zieht man die Sache allerdings auf das Thema Weltanschauung, dann 
muss man den überzeugten Atheismus mit der Religion, egal welche, in eine Reihe 
stellen. Hier kommt die bekenntnisfreie Schule ins Spiel: sie ist genau so 
berechtigt, wie jede andere Schule auch, ist aber auch keine neutrale Schule, 
sondern eine weltanschaulich geprägte Schule. Einer der wesentlichen 
Kritikpunkte ist ja der, dass so die bekenntnisfreie Schule zur Regelschule 
gemacht wird, und das dürfte vom Grundgesetz her nicht zulässig sein.
Anders sähe die Sache aus, gäbe es formulierte allgemein anerkannte ethische 
Prinzipien. Gibt es die? Oder könnte es eventuell sein, dass daran noch 
gearbeitet wird?
Und damit zu Deinem Eingangsthread, Eberhard, denn Deine 
Kritik weise ich zurück:
Offenbar darf nach Auffassung der Kläger Ethik 
nur von den jeweiligen Religionsgemeinschaften für die jeweiligen Mitglieder 
dieser Religionsgemeinschaften erteilt werden. 
Unpräzise. Die Kläger 
verlangen nicht, dass wertorientierter Unterricht nur von 
Religionsgemeinschaften erteilt werden darf (das würde mit Blick auf die 
gleichwertigen Rechte der Bekenntnisfreien gegen unsere Verfassung verstoßen), 
sondern sie verlangen, dass weltanschaulich Gebundene wertorientierten 
Unterricht von Lehrkräften erhalten, die an die gleiche Weltanschauung gebunden 
sind, mit der Begründung, dass es einen weltanschaulich neutralen 
wertorientierten Unterricht nicht gibt, was zur Folge hätte, dass ihnen mit der 
Pflichtteilnahme an einem angeblich neutralen Unterricht die Werte einer 
Anschauung zwangsweise vermittelt werden soll, die sie ablehnen.
Dieses 
Argument ist nur widerlegbar, wenn man den Klägern allgemein gültige ethische 
Prinzipien nennt, die, und nur die, vermittelt werden sollen. Ist das möglich?
1. Für jede Gesellschaft ist es von zentraler Bedeutung, welche ethischen 
Normen gelehrt und sanktioniert werden, denn in ihnen wird deutlich, wie die 
Menschen miteinander umgehen. 
Unpräzise. Ethische Normen werden nicht 
sanktioniert. Sanktioniert wird die Verletzung von Rechtsnormen oder - durch 
soziale Kontrolle - von Moralen. Diese sind aber auch in einer Gesellschaft 
verschieden. Das Anzeigen eines Drogenhändlers gilt in Kifferkreisen als 
unmoralisch und wird entsprechend sanktioniert. 
3. Der demokratische 
Gesetzgeber hat die Aufgabe, sich der bestehenden Probleme anzunehmen, wie sie 
in den Meinungen der Wähler zum Ausdruck kommen. 
Bei der Erfüllung 
dieser Aufgabe ist der Gesetzgeber an die Verfassung gebunden. Und die 
garantiert nun einmal die Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit, zu der 
gehört, dass niemandem vom Staat ein Bekenntnis aufgezwungen werden darf, das 
nicht das Seine ist.
In der Praxis hat das BVG einen 
Vermittlungsvorschlag bei der Auseinandersetzung um L.E.R. gemacht, der die 
folgenden m.E. wesentlichen Elemente enthält:
Die Regelungen über das 
Fach Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde in § 11 Abs. 2 bis 4 des 
Brandenburgischen Schulgesetzes bleiben unberührt. Außer dem Unterricht in 
diesem Fach kann Religionsunterricht gemäß § 9 Abs. 2 dieses Gesetzes in allen 
Schulformen und Schulstufen erteilt werden. Ergänzend werden für die beiden 
Unterrichtsfächer Regelungen entsprechend § 2 dieser Vereinbarung getroffen. 
7. Schülerinnen und Schüler, deren Eltern gegenüber der Schule erklären, 
dass ihr Kind [i]wertorientierten Unterricht zu den Gegenstandsbereichen des 
Faches Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde allein in Form des 
Religionsunterrichts erhalten soll, und den Besuch eines solchen Unterrichts 
nachweisen, sind von der Verpflichtung zur Teilnahme am Unterricht in dem Fach 
Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde befreit. Bei Schülerinnen und Schülern, 
die das 14. Lebensjahr vollendet haben, tritt die eigene Erklärung an die Stelle 
der Erklärung der Eltern. [/i]
Dies ist ein Vermittlungsvorschlag des 
BVG, betreffend Land Brandenburg.
http://www.oefre.unibe.ch/law/dfr/bv104305.html
Ich schlage vor, wir 
halten uns mal daran bei der Frage, worum es eigentlich geht. Denn von 
wirklichkeitsfremdem Philosophieren, das sich auf fiktive Umstände und Normen 
bezieht, halte ich nicht allzu viel.
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von 
Hanspeter am Vorgestern, 12:31 Uhr 
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Es geht hier nicht um die Frage, ob Jesus auferstanden oder Mohammed der Prophet 
Allahs ist. 
Sondern es geht darum, dass die Werte, die das Grundgesetz 
definiert, zum Erziehungsziel in der Schule gemacht wird. Und zwar auf breiter 
Basis, die im Sozialkundeunterricht nicht möglich ist. 
Dass man zB jungen 
Leuten klar macht, dass Meinungsverschiedenheiten nicht per Faustschlag 
entschieden werden, dass in unserem Land Mann und Frau gleichberechtigt sind, 
Heiraten nicht erzwungen werden dürfen etc. 
Ich halte es für 
unerträglich, dass man zB. "Ehrenmorde" damit abtut, dass dies unter die 
"Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit" fällt. 
Wo sollen junge 
Menschen lernen, welche Moral in unserer Gesellschaft gilt? In der Schule, im 
Fernsehen, im Knast??
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von 
Eberhard am Vorgestern, 21:32 Uhr 
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Hallo allerseits, hallo Abrazo,
die Fragestellung, mit der ich diese 
Diskussionsrunde eröffnet habe, lautet: Ist ein Ethikunterricht für alle Schüler 
mit dem Grundgesetz vereinbar?
Ich habe die Meinung vertreten, dass dies 
der Fall ist. 
Die Begründung hierfür lautet: Es gibt unter den 
Heranwachsenden eine zunehmende moralische Orientierungslosigkeit. 
Wenn 
der Gesetzgeber mit Mehrheit beschließt, dies Problem auch durch einen 
allgemeinen Ethikunterricht für alle Schüler anzugehen, so bewegt er sich damit 
im Rahmen seiner verfassungsmäßigen Aufgaben und Rechte.
Die Freiheit der 
Religionsausübung wird dadurch nicht eingeschränkt.
Der Verweis auf die 
unumstößlichen religiösen Begründungen der Moral bringt keine Lösung des 
Problems. Es spricht vieles dafür, dass der Prozess der Säkularisierung 
weitergehen wird und dass die religiösen Weltbilder weiterhin an Glaubwürdigkeit 
verlieren werden. 
Eine Position, die auf alle Fragen nach den Gründen 
für moralische Regeln nichts inhaltliches zu sagen weiß sondern nur auf die 
Autorität des göttlichen Gesetzgebers verweisen kann, erscheint mir nicht sehr 
wirksam.
Die Vorstellung, man könne demokratisches und rechtsstaatliches 
Bewusstsein wecken ohne Begründungen der jeweiligen Normen, nur als Information 
über das was faktisch gilt, erscheint mir unrealistisch.
Wenn die 
Befürchtungen vor mangelnder weltanschaulicher Neutralität beim Ethikunterricht 
so schwerwiegend sind, wie kann es dann einen Deutschunterricht geben, in dem 
die Werke von Bertolt Brecht oder Heinrich Böll behandelt werden? Und wie kann 
es dann einen Biologieunterricht geben, in dem die Genetik behandelt wird?
Haben mehr als 2000 Jahre philosophischer Bemühungen um die Bestimmung des 
guten Handelns nichts erbracht, was möglichst viele kennen und verstehen 
sollten? Müssen sich die Philosophen wirklich ein solches Armutszeugnis 
ausstellen lassen?
Ist die nazistische Rassentheorie wirklich genau so 
gut oder schlecht begründet wie etwa die Theorie der Gewaltenteilung?
Sollte nicht jedes Kind sich einmal Gedanken gemacht haben über Regeln wie: „Was 
Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem andern zu“ oder „Quäle nie 
ein Tier zum Scherz, denn es fühlt wie Du den Schmerz“? Oder können Kinder nicht 
ihre Ansichten diskutieren über gerechte und ungerechte Behandlung der Schüler 
durch den Lehrer? 
Über Hilfsbereitschaft und Rücksichtnahme?
fragt 
Eberhard.
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von Gordon 
am Vorgestern, 21:54 Uhr 
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Etwas überrascht stelle ich fest, dass Eberhard einfach Familie und Eltern 
ignoriert. Sie kommen einfach nicht vor. wer die beiden Sprüche nicht von seinen 
Eltern gehört hat, für den kommt die Schule vielleicht schon zu spät. Erziehung 
ist vor allem das Recht der Eltern und auf gar keinen Fall das des Staates. Nur 
nebenbei: Aus dem Reliunterricht können Eltern und dann die Schüler selbst sich 
jederzeit abmelden, von im Berlin geplanten LER nicht. 
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von 
Hanspeter am Vorgestern, 22:33 Uhr 
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Eberhard tut gut daran, die Eltern nicht zu erwähnen. Denn im Ethikunterricht 
geht es nicht darum, ein irgendwie geartetes Elternbild zu vermitteln, sondern 
die Moral, die in der Basis in unserem Grundgesetz verankert ist.
Wenn 
die Eltern ihre Kindern im Sinne unserer Gesellschaft und unserer Rechtsordnung 
erzogen haben, dann ist ja alles ok. Haben sie ihre Kinder aber falsch erzogen - 
zb. im rechts- oder linksextremen Sinn, gemäß den Vorstellungen radikaler 
Islamisten oder im Sinn von Kulturen, die mit der unsrigen nicht übereinstimmen 
- dann wird es höchste Zeit, den Kindern das im Ethikunterricht beizubringen.
Deshalb ist es konsequent, diesen Unterricht verpflichtend zu gestalten. Und 
die Eltern, die ihre Kinder aus dem Ethikunterricht abmelden möchten, sollten 
sich dann auch aus unserer Gesellschaft abmelden bzw. abgemeldet werden. 
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von Abrazo 
am Vorgestern, 23:02 Uhr 
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Hi, zusammen,
tja, ich bin versucht zu sagen, da kochen doch hier und da 
missionarische Gefühle hoch.
Es ist leider ein Irrtum zu glauben, das 
Grundgesetz habe Verbindlichkeit für das deutsche Individuum. Es bindet den 
Staat, nicht den Bürger. Das heißt, der Staat schreibt den Bürgern nicht vor, 
was sie zu glauben, zu meinen und zu denken haben. 
Beweis: das 
Grundgesetz.
Art 1
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie 
zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt
(2) 
Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen 
Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und 
der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden 
Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes 
Recht.
Das Deutsche Volk bekennt sich zu den Menschenrechten. Die 
könnte man vermitteln. Aber welches sind die? Denn, das gilt es zu bedenken, die 
Menschenrechte sind kulturunabhängig. Und außerdem handelt es sich auch hier um 
Rechte und nicht um Werte. Es wird angenommen, dass dahinter von allen Menschen 
erkannte Werte stecken. Aber welche?
Sondern es geht darum, dass die 
Werte, die das Grundgesetz definiert, zum Erziehungsziel in der Schule gemacht 
wird
Welche Werte definiert denn das Grundgesetz? Und es ist schlicht und 
einfach verfassungswidrig, wenn der Staat zu seinen Werten erzieht.
Ich 
halte es für unerträglich, dass man zB. "Ehrenmorde" damit abtut, dass dies 
unter die "Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit" fällt. 
Hier 
wäre in der Tat aufklärender Unterricht angebracht, denn diese Ansicht ist 
schlicht und einfach falsch. Für die kürzlich verhängten 9 Jahre Gefängnis hatte 
man in der Türkei kein Verständnis. Den Türken galt die Strafe als viel zu 
gering; erst gestern habe ich gehört, bei denen gab es in einem vergleichbaren 
Fall 16 Jahre. Du wirst auch keinen islamischen Theologen finden, der erklärt, 
hier handle es sich um Religion. Tatsächlich ist es archaisches Brauchtum von, 
nun, sagen wir, etwas verwahrlosten Gesellschaften, wie es die kurdische in 
türkisch-Anatolien ist (bei den iranischen und irakischen Kurden ist von derlei 
Bräuchen nichts bekannt). Folge von Armut, mangelnder Bildung und Entrechtung.
Die Freiheit der Religionsausübung wird dadurch nicht eingeschränkt. 
Es geht aber nicht um die Freiheit der Religionsausübung, also z.B. des 
Kirchganges, sondern um die Freiheit des Glaubens.
Es spricht vieles 
dafür, dass der Prozess der Säkularisierung weitergehen wird und dass die 
religiösen Weltbilder weiterhin an Glaubwürdigkeit verlieren werden.
Ich 
würde sagen, dafür spricht sehr wenig. In den USA lehnen 53% der Staatsbürger 
die Evolutionstheorie ab, in islamischen Ländern bis weit nach Schwarzafrika 
hinein erringen religiöse Parteien in demokratischen Wahlen Mehrheiten und, nun, 
der Weltjugendtreff in Köln letztes Jahr sah auch nicht gerade nach 
Säkularisierung aus. Ich sehe eher, dass die säkularen Weltbilder mehr und mehr 
an Glaubwürdigkeit verlieren. Da sollte sich die Philosophie den Schuh anziehen, 
dass sie da vielleicht zu lange zu schweigsam war - oder sich mit Problemen 
beschäftigt hat, die Normalmensch nicht die Spur interessieren.
Grundsätzlich gilt: unser Staat verbietet sich qua Verfassung das Recht, Kinder 
zu seinen Werten hin zu erziehen. Das ist ein ganz wesentlicher Unterschied zu 
den 'Gottesstaaten', aber auch z.B. zur ehemaligen DDR, ebenso jedoch zum 
wilhelminischen Untertanenstaat; für die war es nämlich selbstverständlich, dass 
der Staat den wertorientierten Unterricht in eigener Regie bestimmt. So etwas 
ist bei uns nicht verfassungsgemäß. Muss man sich erst mal klar machen. 
Die wertorientierte Erziehung der Kinder, da bewegt sich Gordon vollkommen auf 
dem Boden unserer Verfassung, wird von den Eltern bestimmt und nicht vom Staat. 
Mit Berufung auf die Menschenrechte ist es zwar ohne weiteres möglich, einen 
werteorientierten Unterricht zu geben; aber eben nicht gegen den Willen der 
Eltern.
Die Philosophie hat sehr viel erreicht. Aber man sollte dabei 
nicht vergessen, dass die Philosophie auch kaum zu unterschätzenden Einfluss auf 
die Theologien hatte. Auch da hat die Philosophie viel erreicht. Nur kann man 
leider dem Normalmenschen nicht Kant ans Herz legen, weil er davon nur Bahnhof 
versteht. Und es ist auch ganz und gar nicht so, dass Philosophie grundsätzlich 
areligiös war und ist. Also wird man den Konflikt auch innerhalb der Philosophie 
finden. 
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von Joy am 
Vorgestern, 23:19 Uhr 
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on 04/25/06 um 22:33:20, Hanspeter wrote:Eberhard tut gut daran, die Eltern 
nicht zu erwähnen. Denn im Ethikunterricht geht es nicht darum, ein irgendwie 
geartetes Elternbild zu vermitteln, sondern die Moral, die in der Basis in 
unserem Grundgesetz verankert ist.
Wenn die Eltern ihre Kindern im Sinne 
unserer Gesellschaft und unserer Rechtsordnung erzogen haben, dann ist ja alles 
ok. Haben sie ihre Kinder aber falsch erzogen - zb. im rechts- oder 
linksextremen Sinn, gemäß den Vorstellungen radikaler Islamisten oder im Sinn 
von Kulturen, die mit der unsrigen nicht übereinstimmen - dann wird es höchste 
Zeit, den Kindern das im Ethikunterricht beizubringen. 
Meinst Du hier mit "unserer Kultur" die allgegenwärtige Anbetung des Mammon? 
Milliarden von Rüstungsausgaben? Profit als das Mass aller Dinge? Jedem mit 
gnadenloser massiver Gewalt zu drohen, wenn er sich diesem Irr- und Wahnsinn 
verweigert und sich an dem Idiotenspiel nicht erfreuen kann? Nennst Du das 
"Kultur"? Das kann doch nicht Dein Ernst sein, oder doch?
Ganz nebenbei: 
Es geht hier im Forum um PHILOSOPHIE (= LIEBE + WEISHEIT). Politik (= rationale 
Berechnung) ist alles andere als Philosophie. Politik ist jenes Pharisäertum, 
welches Wasser predigt und Wein säuft.
Niemand wird unsere Kinder per 
Gesetz verändern können, denn sie sind nur der Spiegel von uns selbst. Sie 
machen nach, was ihnen vorgelebt, nicht was ihnen vorgepredigt wird.
Die 
ganze Diskussion geht am eigentlich Wesentlichen -wie gewohnt- völlig vorbei und 
es wird sich solange nichts wirklich verändern, solange Diskussionen auf dem 
Niveau dieser Scheinheiligkeit geführt werden. Nach §§ schreien immer nur die 
Dummen...
Gruß
Joy
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von Joy am 
Gestern, 00:20 Uhr 
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on 04/25/06 um 23:02:37, Abrazo wrote:Hi, zusammen,
tja, ich bin 
versucht zu sagen, da kochen doch hier und da missionarische Gefühle hoch.
Es ist leider ein Irrtum zu glauben, das Grundgesetz habe Verbindlichkeit 
für das deutsche Individuum. Es bindet den Staat, nicht den Bürger. Das heißt, 
der Staat schreibt den Bürgern nicht vor, was sie zu glauben, zu meinen und zu 
denken haben. 
Beweis: das Grundgesetz.
Art 1
(1) Die Würde 
des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung 
aller staatlichen Gewalt
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu 
unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder 
menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt 
und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
Das Deutsche Volk 
bekennt sich zu den Menschenrechten. Die könnte man vermitteln. Aber welches 
sind die? Denn, das gilt es zu bedenken, die Menschenrechte sind 
kulturunabhängig. Und außerdem handelt es sich auch hier um Rechte und nicht um 
Werte. Es wird angenommen, dass dahinter von allen Menschen erkannte Werte 
stecken. Aber welche? 
Hallo Abrazo,
Du weisst aber 
auch, dass es sich bei all diesen §§ um pure Scheinheiligkeit handelt und dass 
Papier geduldig ist. Nicht "das Deutsche Volk" (was nur eine Abstraktion, aber 
keine Realität ist!) bekennt sich zu diesem oder jenen, sondern ein kleiner 
Zirkel hat dies ohne das Volk je zu fragen, einfach so in dessen Namen 
aufgeschrieben und zwar ohne es dabei überhaupt zu fragen, wozu es sich 
angeblich bekennt. Ein "Volk" kann sich zudem gar nicht bekennen - bekennen kann 
sich immer nur ein Mensch, ein geistiges Individuum! 
Diese 
aufgeschriebenen Gesetze, was sind sie bitte anderes als "Vergewaltigungen"? Was 
ist Politik bitte anderes als Schaumschlägerei? Jedes Gericht urteilt -in 
welchen Belangen auch immer- "im Namen des Volkes", in Wirklichkeit aber nur in 
Anwendung von §§, zu deren Erlass das "Volk" niemals auch nur gefragt wurde. 
Hier herrscht Heuchelei pur und diese Herrschaftsstrukturen sollen nun nach 
Möglichkeit bereits dem kindlichen Geist -am liebsten ab Geburt- per 
Indoktrination gesetzlich verschrieben werden wie eine Pockenimpfung, nur um 
diese irr- und wahnsinnige Herrschaftsstruktur, ausgerichtet und orientiert am 
alleinigen Interesse des Mammon, möglichst langfristig abzusichern. Läge dies im 
Interesse des "Volkes", wie von einem kleinen Zirkel behauptet, bedürfte es doch 
gar keiner Zwangs-§§. Aber eben weil dies nicht der Fall ist, bedarf es eben der 
§§, welche stets gegen das Volk gerichtet sind... Das Individuum sieht doch im 
"Staat" nicht seinen Vertreter, sondern nur seinen Gegner, der es gnadenlos 
abschöpfen will und das auch noch angeblich in seinem eigenen Namen... 
Und weil Du an anderer Stelle Dich auf Marx berufst, er schreibt: "Die Praxis 
ist das Kriterium der Wahrheit." Rein auf "die Welt" bezogen, die weltliche 
Realität, ist Marx einer der besten Philosophen überhaupt, da reicht ihm kaum 
einer das Wasser. Wer Marx's Schriften kennt, der kommt kaum daran vorbei, ihn 
fast schon als einen "Propheten" zu betrachten, denn was er über den 
Kapitalismus schreibt, über die "Fratze des Kapitalismus", das ist heutige 
Alltagsrealität in der kapitalistischen Welt, in der der Mammon alles gilt, der 
einzige Massstab überhaupt ist, der jede Menschlichkeit ignoriert und stets von 
der "Kostenfrage" aus die Welt betrachtet.
In diesen Belangen, welche 
dieses Threadthema angeht, stimme ich Dir sogar weitestgehend zu und bin mit Dir 
eins. Schaue ich aber "tiefer", dann divergieren wir völlig, denn Philosophie 
betrachtet oder sucht zumindest nach einer Betrachtung des GANZEN - während 
zumeist nur die "Hälfte", nämlich der materielle Aspekt des SEINS, als 
vermeintliches GANZES betrachtet wird und dann landet der menschliche "Geist" 
immer im Irrtum, denn er glaubt, dass -jetzt sinnbildlich gesprochen- die 
Vorderseite der Münze die GANZHEIT der Münze sei und blendet die Rückseite 
völlig aus. Und genau an dieser Ausblendung krankt sozusagen das, was wir 
sprachlich als "Welt" bezeichnen und eben deswegen wird das Leid nicht geringer, 
sondern nimmt permanent weiter zu. Wer davor die Augen verschliesst, der kann 
daher sehr wohl als "noch blind" bezeichnet werden... (Eberhard -an seinen 
Beiträgen hier im Forum betrachtet, zähle ich zu diesen (noch-)Blinden und meine 
das dabei kein bisschen wertend, denn das, was er wirklich-ist, das ist quasi 
schon immer sehend.) 
Gruß
Joy
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von 
Hanspeter am Gestern, 07:07 Uhr 
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@abrazo
Mit den Menschenrechten meint das Grundgesetz die Allgemeinen 
Menschenrechte, die 1948 formuliert und zwischenzeitlich ergänzt wurden. Ich 
weiß, dass es auch Versuche von islamischer und buddhistischer Seite gab und 
gibt, eine Alternative zu diesen Menschenrechten zu erstellen. Hier in unser 
westlichen Kultur gelten aber erstgenannte Menschenrechte. Und die enthalten 
sehr wohl Werte, denn Rechte beschreiben stets irgendwelche Werte.
Abrazo 
schreibt zum Thema Ehrenmorde: "Für die kürzlich verhängten 9 Jahre Gefängnis 
hatte man in der Türkei kein Verständnis."
Hat man sehr wohl. Sicher 
nicht unter den westlich gebildeten Türken. Und auch nicht dann, wenn westliche 
Journalisten danach fragen. Aber unter den "Grauen Wölfen" in Berlin wird das 
ganz anders gesehen. 
Abrazo schreibt weiter: "Grundsätzlich gilt: unser 
Staat verbietet sich qua Verfassung das Recht, Kinder zu seinen Werten hin zu 
erziehen."
Das ist falsch. Die Werte eines Staates sind in seinen 
Gesetzen verankert. Und der Staat verpflichtet seine Bürger zur Einhaltung und 
Achtung dieser Gesetze. Dies zu erreichen ist unter anderem ein Ziel des 
Ethikunterrichts.
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von Abrazo 
am Gestern, 10:32 Uhr 
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Die Werte eines Staates sind in seinen Gesetzen verankert. Und der Staat 
verpflichtet seine Bürger zur Einhaltung und Achtung dieser Gesetze.
Welcher Wert ist hier verankert - und wieweit verpflichtet der Staat damit die 
Bürger?
Art 13 GG
(1) Die Wohnung ist unverletzlich.
(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch 
durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der 
dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.
(3) Begründen bestimmte 
Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders 
schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund 
richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von 
Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, 
wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig 
erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung 
erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im 
Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden.
(4) 
Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere 
einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur 
Überwachung von Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt 
werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere 
gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung 
ist unverzüglich nachzuholen.
(5) Sind technische Mittel ausschließlich 
zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann 
die Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden. Eine 
anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zum Zwecke 
der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die 
Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge 
ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.
(6) Die 
Bundesregierung unterrichtet den Bundestag jährlich über den nach Absatz 3 sowie 
über den im Zuständigkeitsbereich des Bundes nach Absatz 4 und, soweit 
richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 5 erfolgten Einsatz technischer 
Mittel. Ein vom Bundestag gewähltes Gremium übt auf der Grundlage dieses 
Berichts die parlamentarische Kontrolle aus. Die Länder gewährleisten eine 
gleichwertige parlamentarische Kontrolle.
(7) Eingriffe und 
Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer 
Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung 
dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur 
Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze 
gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.
Die Vorstellung davon, 
was im Grundgesetz steht könnte und das, was tatsächlich drin steht, ist 
durchaus verschieden. Ich empfehle, es mal zu lesen.
Z.B. auch, was darin 
zum Thema Erziehung steht:
Art 6 GG
(1) Ehe und Familie stehen 
unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und 
Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst 
ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche 
Gemeinschaft.
Folgt: es ist definitiv nicht das Recht des Staates.
Eingreifen darf der Staat nur dann, wenn die Kinder offenkundig Schaden 
nehmen. Und das muss selbstverständlich - so ist das bei Rechtsangelegenheiten - 
bewiesen werden.
Aber unter den "Grauen Wölfen" in Berlin wird das ganz 
anders gesehen. 
Die Grauen Wölfe sind aber keine religiöse, sondern eine 
türkisch-nationalistische politische Gruppierung.
Und der Staat 
verpflichtet seine Bürger zur Einhaltung und Achtung dieser Gesetze. Dies zu 
erreichen ist unter anderem ein Ziel des Ethikunterrichts. 
Da gibt es 
einen feinen, aber wichtigen Unterschied, der den pluralistische demokratischen 
Staat vom totalitären Staat trennt.
Ich verweise auf den Urheber 
christlich-abendländischen totalitären Denkens, Kirchenvater Augustinus. Weil 
das auch so schön zeigt, wie christlich das Denken etlicher angeblich vollkommen 
Säkularer tatsächlich geprägt ist.
Für Augustinus gab es einen göttlichen 
Schöpfungsplan, zu dessen Verwirklichung der Staat verpflichtet war: den 
Gottesstaat als Endziel der Geschichte, in dem sich staatliche Gewalt auflöst 
(ja, ja, auch Marx war insofern ein christlicher Denker). Der Staat (bzw. der 
Papst) hatte also entsprechend Einfluss auf die Entwicklung seiner Untertanen zu 
nehmen.
Der demokratische Staat kehrt sich davon ab. Er verfolgt nicht 
nur kein Ziel, das ist ihm sogar verboten. Denn die Entwicklung einer 
Gesellschaft wird einzig und allein von dieser Gesellschaft bestimmt, sie ergibt 
sich aus dem innergesellschaftlichen Diskurs. In diesem Diskurs haben alle, die 
sich beteiligen, das gleiche Gewicht. Auch Philosophen haben in ihm nur dann 
etwas zu melden, wenn sie mit ihren Argumenten überzeugen können.
Aufgabe 
des Staates ist es dafür zu sorgen, dass die Freiheit des gleichberechtigten 
Diskurses erhalten wird. Von daher sind seine Gesetze Spielregeln; ethische 
Positionen zu beziehen ist seine Sache nicht. Natürlich beziehen Parteien und 
Regierungen mehr oder minder ethische Positionen; die aber wurden gewählt bzw. 
bestehen aus Bürgern, die bestimmte ethische Positionen gemeinsam beziehen. 
Sofern diese Parteien die Regierung bilden, ist es ihr Recht, ihren ethischen 
Grundwerten gemäß zu entscheiden. Allerdings nur bis zu einer Grenze, die 
letztlich das Grundgesetz bestimmt und über deren Einhaltung das BVG wacht: der 
gleichberechtigte Diskurs darf von einer Regierung nicht beschränkt werden.
Und der Staat hat die Aufgabe auch darüber zu wachen, dass die Bürger sich 
im gleichberechtigten Diskurs nicht gegenseitig beschränken, dass sie also die 
demokratischen Spielregeln einhalten. Und kein Staatsmodell propagieren und zu 
verbreiten suchen, das den gleichberechtigten Diskurs abschaffen will.
Von daher sind alle an den Staat heran getragenen Wünsche, er möge seine Kinder 
in eine bestimmte Richtung erziehen, verfassungswidrig. Nicht verfassungswidrig 
ist selbstverständlich die Wissensvermittlung, also die Bildung - im Gegenteil, 
dafür zu sorgen ist staatliche Pflicht - und, was dazu gehört, die Vermittlung 
der hier geltenden Spielregeln. Eben deswegen sage ich: Recht und 
Staatsbürgerkunde. Was den pluralistischen, auch ethischen Diskurs ja eher 
fördert denn einschränkt. Man denke an Art. 2:
(1) Jeder hat das 
Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte 
anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das 
Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche 
Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf 
nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
Wer will behaupten, 
dass die Präsentation und Diskussion über diesen GG-Artikel einer kritischen 
Betrachtung von Gewalt an Schulen und in der Freizeit nicht förderlich wäre? 
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von 
Eberhard am Gestern, 11:21 Uhr 
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Hallo allerseits,
es geht um die Frage, ob die Einführung eines Fachs 
Ethik für alle Schüler mit dem Grundgesetz und der darin garantierten 
Glaubensfreiheit vereinbar ist.
Aus der Fragestellung ergibt sich 
zwangsläufig, dass die Rolle der Eltern bei der Vermittlung moralischer 
Einstellungen hier nicht im Mittelpunkt steht.
Aus der Fragestellung 
ergibt sich weiterhin, dass Positionen, wonach es sich bei den Bestimmungen 
unserer Verfassung um „pure Scheinheiligkeit“ handelt, die „stets gegen das Volk 
gerichtet sind“, nichts zur Beantwortung der hier gestellten Frage beitragen 
können. 
Die Frage ist, ob die Thematisierung von Moral und Ethik im 
Schulunterricht zum verfassungsgemäßen Bildungsauftrag der Schulen gehört.
Dass unter nicht unerheblichen Teilen der Heranwachsenden ein Defizit an 
moralischen Einstellungen besteht, ist wohl unstrittig. Ich nenne hier nur den 
Vandalismus. So wurden In dem kleinen Park am Potsdamer Platz in Berlin immer 
wieder die Lampen zerschlagen. Schließlich hat das Gemeinwesen kapituliert und 
beschlossen, die zerstörten Lampen nicht mehr zu erneuern.
Der Einfluss 
der Religionsgemeinschaften auf die Gesinnung der Heranwachsenden reicht 
gegenwärtig offensichtlich nicht aus, um Vandalismus und Bandenkriminalität den 
Nährboden zu entziehen.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein 
erheblicher Anteil der Bevölkerung entweder überhaupt keiner 
Religionsgemeinschaft angehört oder dort zu den „Karteileichen“ zählt, die 
höchstens 1 bis 2 Mal im Jahr zum Gottesdienst gehen. 
(1970 besuchten 
von ca. 27 Millionen Katholiken der Bundesrepublik ca. 10 Millionen den 
sonntäglichen Gottesdienst. 1999 waren es noch ca. 4,5 Millionen. Dies ist ein 
Rückgang um mehr als die Hälfte. 
Ca. ein Drittel der Bevölkerung gehört 
weder der katholischen noch der evangelischen Kirche an. 
Quelle: 
Statistisches Bundesamt. Datenreport 2002.)
Es gibt also gute Gründe, die 
Vermittlung moralischer Einstellungen nicht nur den Religionsgemeinschaften zu 
überlassen.
Unsere Frage ist: Darf die Schule hier tätig werden?
Diese Frage wird verneint mit der folgenden Begründung:
1. Jeder 
Ethikunterricht ist notwendigerweise wertorientiert, weil es keine allgemein 
gültigen ethischen Prinzipien gibt.
2. Ein wertorientierter Unterricht 
kann nicht weltanschaulich neutral sein. 
3. Deshalb bedeutet die 
Verpflichtung zur Teilnahme am Ethikunterricht die zwangsweise Vermittlung einer 
fremden Wertorientierung und Weltanschauung.
Diese Argumentation muss 
ernst genommen werden. Wenn man dieser Argumentation folgt, dann muss jeder 
Schüler das Recht haben, anstelle des allgemeinen Ethikunterrichts einen 
Ethikunterricht durch die je eigene weltanschauliche Richtung zu besuchen.
Meiner Ansicht nach muss jedoch der Ethikunterricht weltanschaulich nicht 
weniger neutral sein als z.B. der Deutschunterricht . Dort werden Werke wie 
„Emilia Galotti“ von Lessing, „Wilhelm Tell“ von Schiller, „Die Weber“ von 
Hauptmann, „Mutter Courage“ von Brecht oder „Die Physiker“ von Dürrenmatt 
behandelt. Dies sind alles keineswegs weltanschaulich neutrale Texte und auch 
die einzelnen Lehrer haben dazu ihre persönliche Meinung. Trotzdem wird die 
Behandlung solcher Texte im Rahmen des Deutschunterrichts nicht in Frage 
gestellt.
Besteht nicht in entsprechender Weise die Möglichkeit, sich für 
den Ethikunterricht auf weithin anerkannte Autoren und Texte zu einigen, die als 
Teil der Allgemeinbildung gelten können? Kann man diese Texte (natürlich nur 
nach altersgerechter didaktischer Bearbeitung) nicht gemeinsam lesen und 
erörtern, ohne dass hier eine weltanschauliche Richtung in Form einer 
staatlichen Moral vorgegeben wird? 
Besteht mit einem Fach Ethik nicht 
auch die Möglichkeit, die ununterbrochen im schulischen Alltag auftauchenden 
moralischen Fragen zum Gegenstand des gemeinsamen Nachdenkens zu machen? 
(Abschreiben und Abschreiben lassen, Schummeleien bei Tests, Stören durch 
Zu-spät-Kommen oder private Unterhaltungen, Androhung und Einsatz von 
körperlicher Gewalt, Behandlung von Außenseitern, Angeben mit Klamotten oder 
Schuhen, Zivilcourage gegenüber Stärkeren und Hilfsbereitschaft gegenüber 
Schwächeren, Anschwärzen von Mitschülern, ethnische Vorurteile etc. etc.) 
Grüße an alle Interessierten von Eberhard.
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von Abrazo 
am Gestern, 12:11 Uhr 
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Besteht nicht in entsprechender Weise die Möglichkeit, sich für den 
Ethikunterricht auf weithin anerkannte Autoren und Texte zu einigen, die als 
Teil der Allgemeinbildung gelten können? Kann man diese Texte (natürlich nur 
nach altersgerechter didaktischer Bearbeitung) nicht gemeinsam lesen und 
erörtern, ohne dass hier eine weltanschauliche Richtung in Form einer 
staatlichen Moral vorgegeben wird? 
Das ist Wissensvermittlung, also 
Bildung, und damit kann es in unserem Staat keinerlei Probleme geben, wenn ich 
auch aus praktischen Gründen angesichts etlicher deutscher Rabauken und Rabauken 
aus Migrantenfamilien ausgewählte Grundgesetz- und Gesetzestexte (z.B. StGB, 
Telekommunikationsgesetz und Urheberrecht, StPO, ZPO, selbstverständlich 
aufbereitet, im Original sind die für Jugendliche unlesbar) Emilia Galotti 
vorziehen würde.
Das Problem in Berlin kann in den Ausdruck 
"werteorientierte Erziehung" gefasst werden. Das ist der Stein des Anstoßes.
Den Vergleich mit dem Philosophieunterricht (oder auch dem in Latein, der ja 
schon mit Klasse 5 beginnen kann) sollte man heran ziehen. Inwiefern ist ein 
solcher Unterricht werteorientiert? Er vermittelt Wissen, Weltbilder, Ansichten 
und Überzeugungen unterschiedlicher Leute aus unterschiedlichen Epochen. Schon 
in der 5. Klasse wird Lateinschülern vermittelt, wie der Römer dachte und welche 
Werte er hatte. Und lässt sie darüber diskutieren. Aber das Ziel ist eben nicht, 
Werte zu vermitteln. Was der Schüler davon hält, das zu entscheiden überlässt 
man ihm selbst. Erfahrungsgemäß beschleunigt gerade dieses Wissen um 
unterschiedliche Auffassungen und Entscheidungsmöglichkeiten die Reifung der 
Persönlichkeit ganz erheblich.
Hab ich's hier schon erwähnt? Ich selbst 
bin entschiedene Antipädagogin. Nach Lektüre eines Pädagogikbuches, in dem 
Bildung und Erziehung mit dem Bild des Sokrates im Kreise seiner Schüler 
(Bildung) und des Pestalozzi mit dem Kinde auf dem Arm (Erziehung) gezeichnet 
wurden mit der Absicht, man möge hinnehmen, dass beides gleich notwendig sei, 
kam ich zu dem Schluss, wo ein Sokrates sitzt, wird ein Pestalozzi nicht 
gebraucht. Damit bin ich auch bei Asi-Kindern stets hervorragend zurecht 
gekommen.
Zur kritischen Beleuchtung möglicher gesellschaftlicher 
Ursachen einer Forderung nach werteorientierter Erziehung versus Bildung möchte 
ich kurz aus einem Zeitungsartikel von Michael Hirz zitieren, Überschrift: Der 
Bürger im Aufwind.
Eine Spaltung der Gesellschaft wird als unabänderlich 
in Kauf genommen. Paul Nolte, der als Erster wieder freimütig von Unterschichten 
sprach, die zivilisiert werden müssten, sieht ein deutliches Auseinanderdriften 
der Gesellschaft: Einerseits eine größer werdende Unterschicht, die schon an 
praktischen Fragen wie richtiger Ernährung, Erziehung und angemessendem sozialem 
Verhalten scheitert. Und andererseits die Herausbildung einer neuen 
Bürgerlichkeit, die klassische Formen wie beispielsweise die Salonkultur und das 
gesellschaftliche Engagement wiederbelebt. ... Dieses Einverständnis mit 
sozialer Ungleichheit ist die Achillesferse der Propagandisten einer neuen 
Bürgerlichkeit.
Und nu nimm mal Pisa. Ist es ein Zufall, dass 
Jugendkriminalität mit Bildungsmängeln einhergehen? Kann es eine Lösung sein, 
die ungebildete Unterschicht staatlicherseits moralisch zu erziehen (was 
erfahrungsgemäß nicht klappt - weil bürgerliche Moral in der Regel doppelt ist, 
der Unterschicht aber immer nur eine Hälfte beigebracht wurde, was die alsbald 
immer merkte) und die Bildung schleifen zu lassen mit dem Argument, zu mühsam 
für die Lehrer, da die Schüler dazu eh keinen Bock hätten? Guckt da nicht durch 
die Hintertür das Bild vom braven christlichen Arbeitsmann herein, der sich 
seiner Inferiorität bewusst ist und deswegen tut, was die besseren Kreise im 
sagen?
Um mal die Strukturen herauszupolken, denen solche Forderungen 
auch entspringen könnten, die sich dann mit anderen Denkstrukturen und 
Interessen treffen.
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von 
Hanspeter am Gestern, 12:46 Uhr 
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Die Beiträge werden immer länger, die Inhalte aber nicht überzeugender.
@Abrazo schreibt auf meine Aussage: "Die Werte eines Staates sind in seinen 
Gesetzen verankert. Und der Staat verpflichtet seine Bürger zur Einhaltung und 
Achtung dieser Gesetze."
Welcher Wert ist hier verankert - und wieweit 
verpflichtet der Staat damit die Bürger? 
Ist das so schwer zu verstehen?
Wenn das Gesetz Mord mit einer hohen Freiheitsstrafe belegt, dann heißt das, 
dass unsere Gesellschaft dem Erhalt des individuellen Lebens einen sehr hohen 
Wert beimisst. Sie verpflichtet die Bürger, sich daran zu halten. Wenn nun ein 
Islamist darauf verweist, dass im Koran das Töten der Ungläubigen befohlen wird, 
dann mag er das zwar persönlich für richtig halten - Glaubensfreiheit - wenn er 
aber andere dazu aufruft, wird die Gesellschaft dieses sanktionieren, weil er 
damit gegen unsere Werteordnung verstößt.
Alles klar?
Die 
Begründung, eine Antipädagogin zu sein, ist für sich allein nicht überzeugend. 
Bereits bei Säugetieren und Vögeln ist es üblich, dass die Kinder von ihren 
Eltern lernen. Diese Methode hat sich bewährt. 
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von Joy am 
Gestern, 14:00 Uhr 
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on 04/26/06 um 12:46:44, Hanspeter wrote:Wenn das Gesetz Mord mit einer 
hohen Freiheitsstrafe belegt, dann heißt das, dass unsere Gesellschaft dem 
Erhalt des individuellen Lebens einen sehr hohen Wert beimisst. Sie verpflichtet 
die Bürger, sich daran zu halten. Wenn nun ein Islamist darauf verweist, dass im 
Koran das Töten der Ungläubigen befohlen wird, dann mag er das zwar persönlich 
für richtig halten - Glaubensfreiheit - wenn er aber andere dazu aufruft, wird 
die Gesellschaft dieses sanktionieren, weil er damit gegen unsere Werteordnung 
verstößt. 
Wird ein religöser Text wie der Koran einer ist, 
aus säkulärer Sicht betrachtet, dann wird er zwangsläufig missverstanden und 
missinterpretiert. Den "Ungläubigen zu töten" bezieht sich nämlich nicht auf 
"andere Menschen", sondern auf das illusionäre eigene Ego "in sich selbst".
on 04/26/06 um 12:46:44, Hanspeter wrote:Die Begründung, eine 
Antipädagogin zu sein, ist für sich allein nicht überzeugend. Bereits bei 
Säugetieren und Vögeln ist es üblich, dass die Kinder von ihren Eltern lernen. 
Diese Methode hat sich bewährt. 
Ich gehe ja sehr selten mit 
Abrazo's hier geäusserten Ansichten einig. Aber hier bin ich mit ihr eins - z.B. 
der Moral-Vermittlung, die nämlich immer eine "doppelte" ist. Im Gegensatz ist 
Dein hier genanntes Vergleichs-Beispiel bezogen auf Säugetiere und Vögel nämlich 
nicht doppelt. Hier "lernen" die Jungen, die Nachkommen ebenso durch das ihnen 
vorleben der "Alten". Abrazo's Darlegung bezüglich eines "Antipädagogismus" geht 
damit im Grunde konform, denn was sie diesbezüglich sagt, heisst doch nichts 
anderes als das, was Anatole France in dem einen Satz zum Ausdruck bringt, wenn 
er sagt: "Wir können aufhören unsere Kinder zu erziehen, denn sie machen uns 
ohnehin alles nach." Die Psychologie z.B. erkennt dies in jenem Zusammenhang, 
dass Menschen, welche als Kinder selbst "Opfer" von häuslicher Gewalt wurden, 
dies als Erwachsene nur zu oft dann als "Täter" wiederholen, obwohl sie durchaus 
wissen, wie sie einst als Kind selbst unter der Gewalt gelitten haben.
Was hier allein notwendig ist, ist eine höhere Bewusstheit, und diese kann durch 
kein Gesetz oder Unterricht in der Welt herbeigeführt oder vermittelt werden, 
sondern ist einzig und allein Angelegenheit des Individuums selbst. Wer seine 
Kinder wirklich liebt - wird sie nicht zu irgendwas "erziehen", er lässt sie 
entsprechend ihren individuellen Anlagen "frei gedeihen" und lebt ihnen die 
Liebe damit selbst quasi aktiv vor.
Gruß
Joy 
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von Abrazo 
am Gestern, 15:37 Uhr 
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Was Du sagst, stimmt leider nicht, Hanspeter.
Nehmen wir nochmal Art. 2 
GG:
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die 
Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines 
Gesetzes eingegriffen werden. 
Was steht da?
Da steht klipp und klar, 
dass der Staat aufgrund eines Gesetzes in das Recht auf Leben eingreifen darf.
Gibt es dafür ein Beispiel? Oh ja. Nämlich das Luftsicherheitsgesetz.
Das 
auf der unter Juristen weit verbreiteten Auffassung basierte, dass das Recht auf 
Leben ein eingeschränktes Recht ist, kein absolutes, wie die Menschenwürde (die 
tatsächlich gar kein Recht ist).
Erst das BVG hat in diesem Jahr (!) diese 
Auffassung teilweise für verfassungswidrig erklärt, stark verkürzt gesagt mit 
dem Argument, dass die Menschenwürde voraussetzt, dass Mensch lebt.
Der 
einzige Wert im Grundgesetz ist die Menschenwürde. Alles andere sind weiter 
nichts als Rechte, die in erster Linie der Bürger dem Staat gegenüber hat und 
Pflichten, die der Staat der Gesellschaft und damit dem einzelnen Bürger 
gegenüber hat. Zu den Pflichten des Staates gehört, des Bürgers Recht auf 
Unversehrtheit zu schützen und bei Verletzung dagegen vorzugehen. Wer klagt in 
diesem Falle an - der Bürger, der Opfer eines Verbrechens geworden ist? Nein. 
Der Staatsanwalt.
Kein Gesetz darf im Widerspruch zum Wert Menschenwürde 
stehen. Hier liegt der Ansatzpunkt für eine neutrale ethische Diskussion, auch 
im Bildungsbereich: in welchem Zusammenhang stehen die Gesetze mit der 
Menschenwürde?
Ferner rate ich zu überlegen: was ist strafbar?
Klare 
Antwort: eine Handlung, auch die Planung einer Handlung.
Aber nur unter der 
Voraussetzung von § 1 StGB:
Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die 
Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. 
Ohne 
Gesetz keine Strafe.
Es gibt kein Gesetz, das einen Glauben oder eine 
Gesinnung unter Strafe stellt. Folglich sind Glaube und Gesinnung nicht 
strafbar. Fundamentalistische Evangelikale glauben, dass Homosexualität eine 
verdammenswerte Sünde ist. Das dürfen sie. Sie dürfen auch darüber diskutieren. 
Strafbar machen sie sich erst dann, wenn aus diesem Glauben eine Tat folgt: z.B. 
Beleidigung und Volksverhetzung. 
Folglich gilt:
Wenn nun ein 
Islamist darauf verweist, dass im Koran das Töten der Ungläubigen befohlen wird, 
dann mag er das zwar persönlich für richtig halten - Glaubensfreiheit - wenn er 
aber andere dazu aufruft, wird die Gesellschaft dieses sanktionieren, weil er 
damit gegen unsere Werteordnung verstößt. 
Wird sie nicht. Sie wird ihn 
bestrafen wg Volksverhetzung, Anleitung zu Straftaten, Belohnung und Billigung 
von Straftaten oder wg einer Straftat, die er selbst begangen hat, aber nicht, 
weil der das Töten von Ungläubigen für richtig hält. Und nicht deswegen, weil er 
gegen unsere Werteordnung verstößt - das täte er bereits, wenn er das nur 
glaubt, ohne zu handeln - sondern deswegen, weil er ein Gesetz bricht. So 
nüchtern und prosaisch läuft das bei uns.
So, wie auch einer nicht 
bestraft wird, wenn er es für richtig hält, alle Tierversuchslabore mit Gewalt 
zu zerstören. Bestraft wird er erst dann, wenn er dazu aufruft oder plant, das 
selber zu tun, die Tat also vorbereitet.
Es besteht ein gravierender 
Unterschied zwischen Meinungsfreiheit und Handlungsfreiheit, den sehr viele 
nicht begriffen haben.
Einer darf seine Auffassung, Heroin solle zum 
Gebrauch freigegeben werden, ohne weiteres sagen und diskutieren. Aber aus 
dieser Meinungsfreiheit folgt nicht, dass er deswegen auch straffrei mit Heroin 
handeln darf.
Und im Übrigen - auch das ist eine Frage des Wissens, 
nämlich von objektiven Abgrenzungskriterien - ist noch lange nicht überall, wo 
Religion drauf steht, auch Religion drin (das koranische Tötungsgebot setzt 
nämlich den Verteidigungsfall voraus. Den sich Einer natürlich zusammenspinnen 
kann - was ich allerdings nicht mehr unter Religionsfreiheit setzen würde, da 
Fachleute, also islamische Theologen z.B., seine Argumente problemlos mit 
Berufung auf die gemeinsame Religion in den Klump hauen. So, wie nicht alles 
Kunst und Wissenschaft ist, was das von sich behauptet, um die schier absolute 
Freiheit von Kunst und Wissenschaft zu beanspruchen; normal lässt man das im 
Zweifelsfalle von Künstlern und Wissenschaftlern entscheiden). Ein kritisches 
Bewusstsein dafür entwickelt man mit Sicherheit nicht, wenn man alles, was auch 
nur im Entferntesten nach Religion riecht, in Bausch und Bogen ablehnt.
Ceterum censo: ich plädiere für Unterricht in Recht und Staatsbürgerkunde. 
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von 
Eberhard am Gestern, 16:50 Uhr 
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Hallo allerseits,
ich sehe eine gewisse Annäherung der Positionen. Ich 
stimme Abrazo zu, dass es nicht im Sinne des Grundgesetzes wäre, wenn die 
staatlichen Schulen eine bestimmte Moral als die allein richtige lehren und 
vermitteln würden.
Andererseits würde Abrazo offenbar ein Fach Ethik für 
verfassungskonform halten, wenn dort die Kenntnis und das Verständnis 
verschiedener ethischer Positionen – seien sie nun religiös oder anderweitig 
begründet – im Mittelpunkt steht. 
Ich bin ebenfalls der Meinung, dass 
die Information über die Inhalte und Institutionen unserer Rechtsordnung sowie 
die Kenntnis und Begründung rechtsstaatlicher Prinzipien im Rahmen des 
Schulunterrichts zu kurz kommen. 
Ein solcher Unterricht könnte die 
Anfälligkeit für den Fundamentalismus jeglicher Richtung verringern. Die 
Grundstruktur des fundamentalistischen Überzeugungstäters drückt sich in dem 
Satz aus „Wir dürfen das, weil wir Recht haben“, während der Kern 
rechtsstaatlichen Denkens in der Erkenntnis besteht, dass die Überzeugungen 
unterschiedlich sein können und dass deshalb nicht die Überzeugungen das letzte 
Wort haben dürfen, sondern die verfassungsmäßigen Verfahren der Normsetzung - 
sofern man den sozialen Frieden will und nicht den Konfessionskrieg, 
meint Eberhard.
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von Abrazo 
am Gestern, 17:52 Uhr 
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Hi,
d'accord, bis auf das:
Die Grundstruktur des 
fundamentalistischen Überzeugungstäters drückt sich in dem Satz aus „Wir dürfen 
das, weil wir Recht haben“, während der Kern rechtsstaatlichen Denkens in der 
Erkenntnis besteht, dass die Überzeugungen unterschiedlich sein können und dass 
deshalb nicht die Überzeugungen das letzte Wort haben dürfen, sondern die 
verfassungsmäßigen Verfahren der Normsetzung - sofern man den sozialen Frieden 
will und nicht den Konfessionskrieg, 
Die Grundstruktur des 
fundamentalistischen Überzeugungstäters drückt sich nicht in dem Satz aus "wir 
dürfen das, weil wir Recht haben." Diesen Satz kann ich auch problemlos jemandem 
entgegenhalten, der mich im Hundefreilauf auffordert, meinen Hund an die Leine 
zu nehmen: ich darf das, weil ich Recht habe.
Die Frage ist, wovon dieses 
Recht abgeleitet wird.
Ich leite mein Recht davon ab, dass diese Fläche als 
Hundefreilauf ausgewiesen ist.
Der Fundamentalist leitet sein Recht davon 
ab, dass er für das Gute kämpft.
Welchen Weg schlägt nun der ein, der 
eine staatliche werteorientierte Erziehung verlangt? Ist ein Wert nicht immer 
das, was man als das Gute ansieht? Wird nicht das, was diesem Wert widerspricht, 
als das Böse angesehen, das eben kein Recht mehr hat?
Ist nicht eine 
staatliche werteorientierte Erziehung der erste Schritt zum Krieg? Nicht geplant 
und wohl noch nicht einmal bewusst, führt auch keineswegs notwendigerweise zu 
diesem Ergebnis - und dennoch eine Gefahr?
Tatsachenwissen, Akzeptanz der 
Pluralität und Freiheit des Diskurses, wer den inneren und äußeren Frieden will, 
muss diese verteidigen.
Und, nicht zuletzt mit dem Argument, dass wir uns 
alle irren können, die Spielregeln. Vorläufig. Solange wir nämlich nicht mehr 
Sätze gefunden haben, über die wir uns einigermaßen einig sind, wie den von der 
Unantastbarkeit der Menschenwürde (wobei manch Tierschützer selbst den zur 
Disposition stellt [hairstand])
(Wobei das Tatsachenwissen in seinem Wert 
nicht unterschätzt werden darf: das fehlt Fundamentalisten erfahrungsgemäß.) 
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von 
Hanspeter am Gestern, 22:27 Uhr 
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Eberhard schreibt: "Ich stimme Abrazo zu, dass es nicht im Sinne des 
Grundgesetzes wäre, wenn die staatlichen Schulen eine bestimmte Moral als die 
allein richtige lehren und vermitteln würden."
Das halte ich für falsch.
Moral ist die Bewertung einer menschlichen Handlung. Sie fragt, was ist "gut", 
was ist "böse". Und diese Bewertung manifestiert sich in den Gesetzen. Auch wenn 
es keinen Zweifel über die Relativität von Moralen gibt, muss eine gegebene 
Gesellschaft sich für eine bestimmte Moral entscheiden und diese per 
Staatsgewalt durchsetzen. 
Sie kann nicht sagen, wir halten uns an die 
Menschenrechte, aber wenn jemand der Meinung ist, die Scharja ist gottgegeben 
und daher alleingültig, dann mag er das so sehen. Eine Gesellschaft, die ihre 
eigenen Gesetze (und damit die dahinterstehende Moral) relativiert, ist dem 
Untergang geweiht. 
Das schließt natürlich nicht eine Diskussion auch über 
geltende Gesetze aus. Aber solange die Diskussion nicht zu einer 
Gesetzesänderung geführt hat, sind die geltenden Gesetze verbindlich. 
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von 
Eberhard am Heute, 10:37 Uhr 
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Hallo allerseits,
hallo Abrazo,
mit dem fundamentalistischen 
Überzeugungstäter, der nach dem Motto handelt, „Ich darf das, weil ich recht 
habe“, ist nicht der Hundehalter gemeint, der auf geltendes Recht („Dies ist ein 
Hundeauslaufgebiet“) verweist, sondern der Überzeugungstäter, der davon 
überzeugt ist, dass das, was er tut, inhaltlich richtig ist, gleichgültig was 
die Rechtsordnung bestimmt.
Du ziehst dann eine Parallele zwischen dem 
Überzeugungstäter und demjenigen, der eine werteorientierte staatliche Erziehung 
verlangt, insofern als beide das Gute verwirklichen wollen. Du fragst: „Ist 
nicht eine staatliche werteorientierte Erziehung der erste Schritt zum Krieg?“
Hier kann ich Dir nicht folgen. Ich kann mir eine Politik oder Erziehung, 
die nicht an Werten orientiert ist, nicht vorstellen. Dass ich bestimmte Werte 
verfolge, impliziert nicht die Ansicht, dass diejenigen, die andere Werte 
verfolgen, dazu kein Recht hätten.
Es grüßt Dich Eberhard. 
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von Abrazo 
am Heute, 10:43 Uhr 
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Moral ist die Bewertung einer menschlichen Handlung. Sie fragt, was ist "gut", 
was ist "böse". Und diese Bewertung manifestiert sich in den Gesetzen. 
Ist es moralisch, seine Schulden nicht bezahlen zu müssen? Die meisten werden 
sagen: nein. Interessiert aber nicht, wenn es um die Verjährung geht. Wenn einer 
aus 2002 50.000 ? Mietschulden hat und die Klage geht am 2. Januar 2006 ein, 
dann kann der Schuldner die Einrede der Verjährung machen mit dem Ergebnis, dass 
niemand ihn rechtmäßig dazu zwingen kann, seine Schulden zu bezahlen. Recht hat 
nichts zu tun mit Moral. Da geht es um die gesellschaftlichen Spielregeln, sonst 
nichts.
muss eine gegebene Gesellschaft sich für eine bestimmte Moral 
entscheiden und diese per Staatsgewalt durchsetzen. 
Ein nicht 
geringer Teil unserer Gesetze stammt aus dem 19. Jahrhundert und leiten sich aus 
Römerzeiten ab. Seither sind Preussentum, Wilhelminische Zeit, Revolution und 
Weimarer Republik, Nazizeit, Nachkriegsrestauration und 1968 vorbei gegangen. 
Paragrafen wurden gestrichen (z.B. Zechbetrug), andere eingefügt, paar wurden 
geändert, doch im Wesentlichen sind sie gleich geblieben. Wo verkörpern unsere 
Gesetze die Moral?
(Wenn von Scharia die Rede ist, sollte man übrigens 
auch nicht übersehen, dass es allein in der Sunna 4 verschiedene Rechtsschulen 
gibt mit unterschiedlichen Gesetzen, dazu noch die Schia. Und dass das 
Hauptproblem gerade in der Liberalität besteht, die zur Folge hat, dass 
regionaler Brauch und Sitte in den jeweils gültigen Rechtskanon aufgenommen 
wurden. Und darin, dass jeder dahergelaufene Möchtegern-Heiliger ein 
Rechtsgutachten erstellen und dafür werben kann, weil er meint das entspräche 
der - ja wem denn wohl? Natürlich, der islamischen Moral! Was meinst Du denn, 
warum anerkannte islamische Theologen zur Zeit an einer Fatwa arbeiten, nach der 
nur anerkannte, akademisch ausgebildete Theologen Rechtsgutachten erstellen 
dürfen?)
Sie kann nicht sagen, wir halten uns an die Menschenrechte, aber 
wenn jemand der Meinung ist, die Scharja ist gottgegeben und daher alleingültig, 
dann mag er das so sehen.
Doch, genau das sagt unsere Gesellschaft.
Und sie verbietet auch niemandem, nach der Scharia (bzw. dem, was er dafür 
hält) zu leben.
Solange er in seinem Tun (!) nicht die Spielregeln 
unserer Gesellschaft verletzt. Wenn er das tut, kann er sich nicht auf seinen 
Glauben berufen, dann gibt's einen übergebraten.
Ein Brite kann 
problemlos glauben, die einzig gute, richtige und anständige Weise, Auto zu 
fahren, sei der Linksverkehr. Sobald er diesen Glauben aber in Deutschland auf 
der Straße umsetzen will, wird er aus dem Verkehr gezogen und kriegt Fahrverbot 
- denn bei uns gilt nun mal der Rechtsverkehr.
Was die Gültigkeit unserer 
Gesetze betrifft, da haben wir also überhaupt kein Problem miteinander.
Problem ist, dass leider etliche aus Unkenntnis Gesetze immer mit Moral in einen 
Topf rühren und dann natürlich meinen, ihre persönliche, subjektive Moral sei 
der Maßstab dafür, wie ein Gesetz ausgelegt werden muss, und das ist schlicht 
und einfach falsch. Die Rechtswissenschaft - jede, auch die islamische - 
trachtet vielmehr danach, genau diese Subjektivität wenn irgend möglich zu 
vermeiden und statt dessen objektive Kriterien in der Rechtssprechung 
anzuwenden.
Und weil dies im Grundgesetz so für Recht erklärt ist und es 
den Staat verpflichtet, dieses Recht auch einzuhalten, haben sich auch die 
staatlichen Schulen danach zu richten. 
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Titel: Re: Fach Ethik: Eingriff in die Religionsfreiheit?
Beitrag von 
Eberhard am Heute, 11:25 Uhr 
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Hallo allerseits, hallo Hanspeter,
Du schreibst: < Moral ist die 
Bewertung einer menschlichen Handlung. Sie fragt, was ist "gut", was ist "böse". 
Und diese Bewertung manifestiert sich in den Gesetzen. Auch wenn es keinen 
Zweifel über die Relativität von Moralen gibt, muss eine gegebene Gesellschaft 
sich für eine bestimmte Moral entscheiden und diese per Staatsgewalt 
durchsetzen. >
Hier geht es um die wichtige aber nicht gerade einfache 
Frage des Verhältnisses zwischen Recht und Moral. 
Ich stimme dir darin 
zu, dass Recht etwas mit Moral zu tun hat und dass keine Rechtsordnung ohne 
Moral auskommt. 
Was wäre eine Rechtsordnung ohne die moralische 
Überzeugung der Bürger, dass die Gesetze zu befolgen sind? Die Furcht vor der 
Strafverfolgung durch Polizei und Gerichte als ausreichendes Motiv der 
Gesetzestreue ist darauf keine Antwort, denn wenn die Polizisten und die Richter 
keine Amtsmoral haben und sich nicht an ihre Amtspflichten halten, wer soll dann 
diese sanktionieren? 
Es ist zwar richtig, dass die Verbindlichkeit einer 
Rechtsnorm nicht direkt von ihrer inhaltlichen Richtigkeit abhängt sondern von 
ihrem verfassungsmäßigen Zustandekommen, aber das Recht ist von der 
„Gerechtigkeit“ nicht völlig abgekoppelt. 
Dies wird schon daran 
deutlich, dass Gesetze im demokratischen Rechtsstaat ja nicht nur erlassen 
werden, sondern dass sie vor der Beschlussfassung ausführlich und öffentlich 
beraten werden müssen und damit immer eine Begründung besitzen.
Außerdem 
bedürfen auch die Bestimmungen der Verfassung selber der inhaltlichen 
Rechtfertigung. Diese Rechtfertigung kann nur darin liegen, dass die 
betreffenden Verfahren der Normsetzung diejenigen sind, die am ehesten 
inhaltliche richtige, „gerechte“ Gesetze hervorbringen.
Trotzdem bleibt 
ein Spannungsverhältnis zwischen dem Ziel der inhaltlichen Richtigkeit 
(„Gerechtigkeit“) der Rechtsnormen und dem Ziel der friedlichen und geordneten 
sozialen Kooperation („Rechtssicherheit“) durch verbindliche Verfahren der 
Normsetzung. 
Als Demokrat beuge ich mich dem Mehrheitswillen, auch wenn 
ich der Ansicht bin, dass meine - in der Minderheit gebliebene - Ansicht die 
richtige ist.
Die von Dir angenommene Deckungsgleichheit zwischen Moral 
und Recht lässt sich meines Erachtens nicht durchhalten. Aus der Tatsache, dass 
in einer Gesellschaft ein bestimmtes Handeln unter Strafe gestellt ist, folgerst 
Du, dass damit dies Handeln auch moralisch negativ bewertet werden muss. 
Dies ist nicht unbedingt der Fall. Einer der Gründe hierfür liegt darin, 
dass das Recht aufgrund seiner Bindung an verkündete Gesetze eine 
verfahrensmäßige Schwerfälligkeit besitzt, die sich nicht für alle Bereiche der 
Normgebung eignet. Vieles ist aus diesem und aus anderen Gründen nicht 
„justiziabel“, obwohl es ohne weiteres moralisch bewertet werden kann.
So 
muss das Recht mit relativ allgemeinen Beschreibungen von Tat, Täter, Situation 
etc. arbeiten und kann dadurch nicht jedem Einzelfall gerecht werden. 
Andernfalls wären die Gesetzestexte viel zu umfangreich und unübersichtlich. 
In der Straßenverkehrsordnung steht z.B., dass ein Autofahrer bei rotem 
Ampellicht halten muss. Es steht jedoch nicht darin, dass man das Ampellicht 
nicht beachten muss, wenn man nachts um halb vier vor einer Ampel steht, die 
durch einen technischen Defekt nicht mehr auf „Grün“ schaltet, und wenn weit und 
breit kein anderer Verkehrsteilnehmer zu erblicken ist.
Aus dem Umstand, 
dass ein bestimmtes Handeln - z.B. außerehelicher Sex - rechtlich nicht verboten 
ist, kann man ebenfalls nicht folgern, dass dies Handeln auch moralisch nicht 
verboten sondern erlaubt ist. 
Ich habe aus diesem Grund Probleme mit der 
von Dir vorgeschlagenen Ableitung einer staatlichen Wertordnung und Moral aus 
den geltenden Rechtsnormen.
Es grüßt Dich und alle Interessierte 
Eberhard.
p.s.: Ich möchte an dieser Stelle einmal meine Freude darüber 
zum Ausdruck bringen, dass sich die Umgangsformen und der Diskussionsstil in den 
Philtalk-Diskussionen gegenüber früher erheblich verbessert haben – was auch der 
inhaltlichen Qualität zugute kommt. Achten wir darauf, dass es so bleibt!
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u. a.