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Determinismus
oder:
Geschieht alles nach Gesetzmäßigkeiten?
 
Begründung des Determinismus
Die Annahme kausaler 
Gesetzmäßigkeit als methodologisches Prinzip
Besonderheiten des 
menschlichen Verhaltens 
Für Menschen gibt es niemals dieselbe 
Situation
Der Mensch kann reflektieren
An einen Deterministen
Kann man auf die Kategorie der Möglichkeit verzichten?
Die Entscheidung bleibt
Kausales Denken
Natürliche 
Regelmäßigkeiten und Freiheit
 
Eine Begründung des Determinismus bezüglich menschlichen Handelns
Eine 
Begründung des Determinismus könnte folgendermaßen aussehen:
Satz 1: Das reale Weltgeschehen unterliegt kausalen Gesetzmäßigkeiten von 
der Form "Immer wenn v, w, x ... gegeben sind, dann geschieht z".
[Prämisse 1] 
Satz 2: Das menschliche Verhalten ist Teil des realen Weltgeschehens. 
[Prämisse 2] 
Satz 3: Folglich unterliegt auch das menschliche Verhalten kausalen Gesetzmäßigkeiten von der 
Form "Immer wenn v, w, x, ... gegeben sind, dann geschieht z". 
[Folgt aus 1). und 2.)] 
Satz
4: Für "dann geschieht z" kann man einsetzen: "dann tritt 
beim Menschen A das Verhalten z auf". 
[Folgt aus der Bedeutung von "geschehen".]  
Satz
5: Immer wenn v, w, x, ... gegeben sind, dann tritt beim Menschen A das Verhalten z auf.
[Folgt aus Satz 3 und 4)]
Satz
6: Beim Menschen A tritt zum Zeitpunkt t das Verhalten z auf.
Satz 7: A konnte das Auftreten des Verhaltens z zum Zeitpunkt t bei sich 
nicht vermeiden. 
[Folgt aus Satz 5 und 6)]
Diese Argumentation gilt nicht nur für den Menschen A und sein Verhalten z, 
sondern lässt sich auf jegliches Verhalten jedes Menschen verallgemeinern.  
An welcher Stelle lässt sich diese Argumentation angreifen?
Problematisch ist vor allem Satz 1. Denn trotz intensiver Bemühungen ist es der 
Wissenschaft bisher nicht gelungen, jedes reale Ereignis auf bestimmte 
Gesetzmäßigkeiten von der allgemeinen Form "Wenn v, w, x ... , dann z" 
zurückführen, insbesondere, was das Verhalten von Menschen angeht. Dagegen wird 
eingewandt, dass es diese Gesetzmäßigkeiten trotzdem gebe, auch wenn sie von der 
Wissenschaft noch nicht aufgedeckt worden seien. Damit steht und fällt die 
Argumentation damit, ob man diese Annahme teilt oder nicht.
Was rechtfertigt die Annahme, dass für alles Geschehen Gesetzmäßigkeiten gelten? 
Dass wir für einige Bereiche - etwas die Mechanik - solche Gesetzmäßigkeiten 
bereits ausmachen konnten? Lassen sich die Ergebnisse aus dem Bereich der 
Mechanik auf den Bereich des menschlichen Verhaltens übertragen?
Häufig wird davon ausgegangen, "dass alles in der Natur unter bestimmten Gesetzen erfolgt". Oder es heißt: "Wie 
alles andere, so ist auch unser 
Wille dem Prinzip der Kausalität unterworfen."    
Woher wissen wir das? 
Wir erkennen in dem ständigen 
Prozess der Veränderung gewisse empirische Regelmäßigkeiten: Wir können aufgrund 
der Erkenntnis dieser Regelmäßigkeiten bestimmte Ereignisse erfolgreich vorhersagen 
und viele sogar gezielt erzeugen. 
 
Das Problem besteht jedoch darin, das aus noch so vielen Beobachtungen einer 
ausnahmslosen Regelmäßigkeit nicht logisch-deduktiv auf die Wahrheit allgemeiner 
Gesetzmäßigkeiten geschlossen werden kann, weil dies Gesetz auch für zukünftige 
Ereignisse gelten soll, und diese kennen wir (noch) nicht. Insofern bleiben alle "Naturgesetze"   Hypothesen, die möglicherweise zukünftig falsifiziert werden. 
Wir nehmen zwar bestimmte Regelmäßigkeiten 
wahr: Wenn wir einen Kessel Wasser auf ein Feuer stellen, 
fängt das Wasser an zu verdampfen. Oder wenn man ein Kleinkind schlägt, fängt es an zu weinen. 
Wir können diese empirischen 
Regelmäßigkeiten sicherlich noch präziser formulieren, aber diese 
All-Sätze, die jederzeit und überall Geltung beanspruchen, können in 
der Zukunft korrekturbedürftig werden. Dies liegt daran, 
dass der Schluss von den bisher vorliegenden Fällen auf alle Fälle überhaupt eben kein gültiger deduktiver Schluss ist 
sondern nur eine versuchsweise (hypothetische) Verallgemeinerung, ein induktiver 
"Schluss". 
Erst recht ungesichert ist der Schluss von der Tatsache, dass in vielen Bereichen der 
Wirklichkeit Regelmäßigkeiten entdeckt wurden, auf die 
These, dass alles Geschehen gemäß bestimmten 
Regeln verläuft. 
 
Der Schluss von bestimmten beobachteten Regelmäßigkeiten auf die 
generelle These: "Alles 
was geschieht, ist kausalen Gesetzmäßigkeiten unterworfen"   ist nun erst recht 
kein logisch-deduktiver Schluss sondern eine kühne  
Verallgemeinerung.  
Die Annahme kausaler Gesetzmäßigkeit als methodisches Prinzip
 Dass jedes Phänomen seine Ursachen hat und 
deren gesetzmäßige Folge ist, sollte nicht als Aussage 
über die Wirklichkeit aufgefasst werden, sondern eher als ein Erkenntnisprogramm: Es 
ist sinnvoll, nach empirischen Regelmäßigkeiten zu forschen, weil nur die 
Kenntnis dieser Regelmäßigkeiten es uns 
ermöglicht, Zukünftiges vorherzusagen und damit auch die 
Folgen unseres eigenen Handelns zu berücksichtigen und unsere Ziele zu 
erreichen. 
Die 
Annahme, dass alles seine Ursache hat, ist eine sinnvolle Annahme, um die 
Wirklichkeit zu gestalten. Ich suche nach empirischen Regelmäßigkeiten oder "Ursachen", um gezielt etwas herstellen oder beseitigen zu können. Wenn ich die 
Ursache von Krebs kenne, kann ich die Krankheit gezielt bekämpfen. Wenn ich die 
Ursache für die heilende Wirkung von Kamille kenne, kann ich diesen Stoff 
chemisch gewinnen und anwenden. 
Ob aber die ganze Welt nach dem Prinzip der 
gegeneinander fallenden Dominosteine ("Wenn a, dann b", "Wenn b, dann c", "Wenn c, 
dann d" u.s.w. u.s.f. aufgebaut ist, mag dabei dahingestellt bleiben.
Auch wenn der wissenschaftliche Fortschritt weiter geht und 
weitere empirische Regelmäßigkeiten entdeckt werden, werden die Menschen mit 
Risiken und Ungewissheiten leben müssen. Sie bleiben mit verschiedenen 
Möglichkeiten der zukünftigen Entwicklung konfrontiert und müssen deshalb 
entscheiden und 
handeln. 
Selbst ein vergleichsweise einfaches 
System wie die Maschine, die die Lottozahlen hervorbringt, 
kann in seinem Ablauf von uns nicht prognostiziert werden. 
Und das, obwohl die Mechanik eine der bestentwickelten 
Wissenschaften hinsichtlich der Erkenntnis empirischer 
Regelmäßigkeiten ist.
Ein Determinist und ein Nicht-Determinist können sich über die vergangene und gegenwärtige Wirklichkeit völlig einig sein. Der Unterschied besteht allein darin, dass der Nicht-Determinist sagt: "So ist es", und der Determinist sagt: "So musste es sein". Deshalb kann man auch kein Experiment durchführen, um den Determinismus zu bestätigen oder zu widerlegen. Die deterministische Weltsicht kann nicht an der Erfahrung scheitern, denn wo keine Gesetzmäßigkeit gefunden wird ("Warum zerfällt das Uranatom x früher als das Uranatom y?"), da antwortet der Determinist: "Wir wissen noch nicht genug. Deshalb können wir die Gesetzmäßigkeiten des Zerfalls radioaktiver Uran noch nicht formulieren."
***
Besonderheiten des menschlichen Verhaltens hinsichtlich seiner Gesetzmäßigkeit
Hinsichtlich der wissenschaftlichen 
Erforschung des Menschen und seines Verhaltens stellt sich für eine Wissenschaft, die auf 
Gesetzmäßigkeiten aus ist, noch ein zusätzliches Problem. Dadurch, dass Menschen 
eine bestimmte Regelmäßigkeit kennen, berücksichtigen sie diese in ihrem 
Handeln, wodurch diese Regelmäßigkeit wieder verschwindet. 
In den Sozialwissenschaften ist das Phänomen der "sich selbst erfüllenden Vorhersagen"   ("self-fulfilling 
prophecies") bekannt (Ein 
Börsen-Guru sagt in der Öffentlichkeit Kurssteigerungen einer 
bestimmten Aktie voraus und da viele Leute dadurch angeregt werden, 
diese Aktie zu kaufen, steigt der Kurs der Aktie dann 
tatsächlich). Umgekehrt gibt es auch "sich selbst zerstörende Vorhersagen"   ("  self-destroying 
prophecies"  ) (Der 
ADAC sagt auf bestimmten Autobahnabschnitten zum 
Ferienbeginn extreme Staus voraus, und weil dadurch viele Leute von der 
Benutzung dieser Abschnitte abgeschreckt werden, ist dann dort 
überhaupt kein Stau). 
Wenn den Leuten gesagt wird, wie sie in einer bestimmten Situation handeln werden, 
kann dies dazu führen, dass sie ihr Handeln neu überdenken und anders handeln 
als vorhergesagt. 
***
Für Menschen gibt es niemals dieselbe Situation
Die Idee einer deterministischen "Weltformel", die alle 
gegebenen Bedingungen und Gesetzmäßigkeiten erfasst und dadurch das gesamte 
Geschehen - einschließlich unseres eigenen Handelns - vorhersagbar macht, kann 
wahrscheinlich nicht widerspruchsfrei gedacht werden, weil es für den Menschen 
keine völlig identische Wiederholung einer Situation geben kann. 
Der Mensch hat ein Gedächtnis, weshalb 
es streng genommen für ihn keine Wiederholung der gleichen 
Situation geben kann. Zu der sich wiederholenden Situation kommt 
immer ein weiterer Faktor hinzu: die Erinnerung an das letzte 
Mal. Dadurch ist die Situation nicht mehr die gleiche. 
Ich sehe deshalb nicht, dass die Menschen 
eines Tages  gelangweilt sich selber zuschauen, weil sie 
bereits im Voraus wissen, wie sie sich entscheiden und handeln 
werden.
***
Zwischen dem Verhaltensprogramm eines Menschen und z. B. dem eines Hundes besteht ein wichtiger Unterschied: Ein Mensch hat die Fähigkeit, über sein eigenes Handeln, über dessen Motive und Konsequenzen nachzudenken. Er kann gedanklich das Für und Wider verschiedener Handlungsmöglichkeiten erwägen und er kann ein Verhältnis zu sich selbst einnehmen, was sich in Worten wie "Selbstkritik", "Selbsterziehung", "Eigenlob" etc. ausdrückt. Insofern ist der Mensch unabhängiger und "freier" in seinen angeborenen Verhaltensprogrammen als ein Hund. (Er hat "Vernunft und Verstand" … zumindest manchmal.)
***
An einen Deterministen (aus einer Internet-Diskussion):
Wenn ich Dich recht verstanden habe, 
so ist für Dich die Vorstellung, dass ein Mensch verschiedene 
Handlungsmöglichkeiten hat, zwischen denen er sich frei entscheiden kann, "kompletter Unsinn". Für 
Dich ist "die Negation der Willensfreiheit … eine der revolutionärsten 
Entdeckungen der Wissenschaft", und Du ziehst daraus weitgehende Konsequenzen: 
Begriffe wie "Entscheidung", "Verantwortung", "Schuld", "Strafe"   oder "Identität"   verlieren für Dich ihren Sinn. 
 
Mich hat jedoch Deine Argumentation an verschiedenen Punkte nicht überzeugt.
 
1. Dass die Neurologie "durch unzählige Versuche .. nahezu bewiesen habe", dass 
man keinen "freien Willen"   hat, bleibt eine kühne Behauptung. Das Beispiel, das 
Du anführst ("Grinsen beim Zeigen eines obszönen Fotos") ist eine unwillkürliche 
Reaktion auf einen bestimmten Reiz.  
 
So etwas wird jedoch üblicherweise nicht als eine "Willensäußerung"   bezeichnet. 
Niemand würde  eine derartige Situation mit den Worten beschreiben: "Als mir das 
besagte Foto mit dem …. Mann und der  …. Frau gezeigt wurde, entschied ich mich 
zu grinsen"   (bzw. "wollte ich grinsen"  ).  Nicht jede Reaktion oder Aktion eines 
Menschen ist Ausdruck einer Entscheidung bzw. Äußerung eines Willens. Man kann 
in diesem Fall sogar umgekehrt sagen: "Ich wollte nicht grinsen, aber ich musste 
einfach, als ich das Foto sah."   Es wäre deshalb sinnvoll, dass Du erläuterst, 
wie Du den Begriff "Wille"   verwenden willst. 
 
2. Du schreibst: "Bewusst werden im Gehirn immer nur einige Vorgänge, diese 
Vorgänge werden aber nicht vom Bewusstsein gesteuert, sondern diese Vorgänge 
steuern das Bewusstsein."   Dies hört sich so an, als gäbe im Gehirn physische 
Vorgänge (Hormonausschüttungen, Hirnströme etc.), die auf psychische Vorgänge 
(Denken, Empfinden, Bewusstsein) einwirken.  
 
Hirnstrom und bewusster Gedanke sind jedoch nicht als zwei verschiedene Objekte 
aufzufassen, bei der das eine auf das andere wirkt und dieses steuert. Der 
gemessene Hirnstrom und mein bewusster Gedanke sind stattdessen verschiedene 
Aspekte ein und desselben Vorgangs. Der Hirnstrom "steuert"   nicht meine 
Gedanken. In ähnlicher Weise sind die durch einen  erhöhten Adrenalinspiegel 
hervorgerufenen Schaltvorgänge im Nervensystem und meine gefühlsmäßige Erregung 
zwei Aspekte desselben Vorgangs.  
 
3. Du schreibst: "In der gleichen Situation reagiert der gleiche Mensch … immer 
gleich. Er kann sich nicht einmal hier und ein andermal dafür entscheiden. Seine 
Entscheidung hängt nur von zwei Faktoren ab: seinem Genotyp und seiner bisher 
erlebten Geschichte, die das Gehirn prägt."    
 
Das klingt einfach, aber die Psychologen haben ihre liebe 
Not damit, 
ausnahmslose Regelmäßigkeiten für menschliches Verhalten zu finden und nach Art 
von "Naturgesetzen"   zu formulieren. Ein Grund dafür ergibt sich schon aus der 
von Dir selbst getroffenen Feststellung, dass die Entscheidungen eines Menschen 
von seiner bisher erlebten Geschichte abhängen. Eben weil der Mensch sich 
erinnern kann, gibt es für ihn niemals "die gleiche Situation". Es gibt 
höchstens die "gleiche"   Situation wie zuvor, zuzüglich der Erinnerung 
an die vorige Situation.   
  
4. Bei deinem Beispiel für illusionäre Willensfreiheit ("Ich habe die 
Möglichkeit, den Computer zu nehmen und aus dem Fenster zu schmeißen"), lautet 
Dein Argument: "Wenn ich dies tatsächlich tun sollte, wäre es aber ausgelöst 
durch meine Gedanken zur Willensfreiheit, es wäre nicht mein freier Wille". Das 
heißt also: Wenn eine Handlung durch einen Gedanken ausgelöst wird, kann 
sie schon nicht mehr einem freien Willen entspringen. 
 
Hier wird deutlich, dass Du offenbar unter "Freiheit"   in diesem Zusammenhang 
etwas sehr Spezielles verstehst, das sich weit vom normalen Sprachgebrauch 
entfernt ("Ich habe es freiwillig getan. Ich wollte so handeln.") 
Wenn Du als 
einen "freien"   Willens nur einen solchen Willen bezeichnest, der in keiner Weise 
bedingt oder beeinflusst ist – auch nicht durch Überlegungen – so wundert es nicht, dass Du 
nirgendwo Willensfreiheit feststellen kannst. (Hier rächt es sich, dass Du nicht 
erläutert hast, wie Du die zentralen Begriffe "Freiheit"   und "Wille"   gebrauchen 
willst.)  
***
Kann man auf die Kategorie der "Möglichkeit" verzichten?
Deterministen, die eine Willensfreiheit von 
Menschen prinzipiell bestreiten, drücken ihre Überzeugung manchmal in 
Sätzen aus wie: "Das subjektive Gefühl, zwischen verschiedenen Möglichkeiten wählen zu können, ist objektiv 
gesehen falsch und beruht auf einer Täuschung". 
Solche Deterministen handeln inkonsequent, wenn sie trotzdem im praktischen Leben Formulierungen gebrauchen wie: "Ich hatte die Wahl, meine Stimme der 
X-Partei zu geben oder der Y-Partei. Ich habe die Y-Partei 
gewählt."  
Wenn derartige Aussagen nur das Ergebnis einer Täuschung darstellen, so sollten sie 
darauf  
verzichten. 
Weshalb können wir aber auf Begriffe wie "Möglichkeit", "Wahl", "Entscheidung", "Alternative"   nicht 
verzichten? 
Wir  können das nicht, weil wir trotz einer 
objektivierenden  Betrachtungsweise "von außen"   eben Subjekte 
sind, die "ich"   sagen, die sich in einer Welt voller 
Unsicherheiten und Ungewissheiten behaupten wollen und dazu in 
ihrem Denken verschiedene Handlungsalternativen und deren 
mögliche Folgen durchspielen. Dies macht unsere Existenz als 
Menschen aus und ist nicht einfach "wegzuphilosophieren".
***
Aus der Tatsache, dass unsere 
Handlungen äußeren Einflüssen unterliegen, könnte jemand den Schluss ziehen: "Wenn ich nicht 
aus freiem Willen handle, dann bin ich auch nicht für meine 
Handlungen verantwortlich. Also habe ich auch niemals 
Schuld, denn einen Vorwurf kann man nur dann jemandem machen, wenn er 
auch anders hätte handeln können als er es getan hat. Da ich jedoch über keinen 
freien Willen verfüge, weil mein Handeln - wie alle anderen 
Vorgänge in der Welt auch – natürlichen Gesetzmäßigkeiten 
unterliegt, konnte ich nur so handeln, wie ich es getan habe."  
Dieser Gedankengang ist falsch. Ich bin tagtäglich in Situationen, in denen ich mich zwischen 
verschiedenen Möglichkeiten entscheiden muss. Diese Erfahrung 
habe ich gemacht und machen andere wohl auch. Und niemand kann 
mir meine Entscheidungen abnehmen. Keine noch so große 
gedankliche Anstrengung kann die normative Frage "Wie 
soll ich mich  entscheiden?"   durch die prognostische Frage: "Wie werde ich mich entscheiden?"   ersetzen. 
Wenn der Determinist kein Faktum angeben kann, 
das seine Auffassung bestätigen und meine widerlegen 
würde, wenn er also immer nur im Nachhinein sagen kann: "Du hast 
dich so entschieden, wie Du dich entscheiden musstest", 
dann kann mir seine Ansicht im wahrsten Sinne des Wortes "gleichgültig"   bleiben. 
Ob mit oder ohne Determinismus: es bleibt alles beim alten.
Damit will ich allerdings nicht Fälle 
ausschließen, bei denen es nicht mehr sinnvoll ist, von 
Entscheidungsfreiheit zu sprechen. Ein Beispiel hierfür sind 
Suchtkranke, die sich entgegen ihrer Einsicht in das 
Selbstzerstörerische ihrer Sucht  davon nicht freimachen können. 
***
In der Diskussion hat es oft den Anschein, als könne man an der Willensfreiheit nur dann festhalten, wenn man neben dem "Reich der Notwendigkeit", in dem alles gemäß den "Gesetzen der Natur" geschieht, noch ein "Reich der Freiheit" annimmt, in dem sich alles gemäß den "Gesetzen der Vernunft" vollzieht. Darin sind sich die Anhänger der These von der Unfreiheit des menschlichen Willens und die Anhänger einer idealistischen Willensfreiheit einig. Der Unterschied zwischen beiden Positionen ergibt sich nur daraus, dass die einen die Zwei-Welten-Position ablehnen und die andern nicht.
***
Wenn man der Auffassung ist, dass auch das menschliche Wollen und Handeln als 
Teil des realen Geschehens kausal bedingt ist, so folgt daraus jedoch nicht, 
dass das menschliche Wollen und Handeln deshalb "unfrei"   sei. 
Dieser Schluss 
wird aber gezogen, wenn man sagt: "Du entscheidest Dich nicht frei, sondern die 
vorhandenen Infos werden, gemäß der Soft- und Hardware deines Gehirns und der 
gegebenen Rechenzeit verarbeitet. Und danach handelst du."   
Damit wird gesagt: Du 
kannst dich nicht frei entscheiden, weil der Entscheidungsprozess in Deinem 
Gehirn entsprechend bestimmten gegebenen Bedingungen ("Soft- und Hardware") 
abläuft und Du Dich dementsprechend entscheidest und handelst. Das heißt, weil 
die Entscheidung als vielseitig bedingter physischer Prozess in meinem Gehirn 
abläuft, kann man meine Entscheidung nicht mehr als "frei"   bezeichnen. 
Veranschaulichen wir diese Position an einem einfachen Beispiel. Ich gehe in 
einen Imbiss, der zwei Gerichte zur Auswahl hat. Das eine Gericht ist ein 
Nudelgericht und Nudeln mag ich überhaupt nicht. Ich entscheide mich für Steak 
mit Pommes. War meine Entscheidung frei oder unfrei?
Mein Entscheidungskalkül war das relativ simple "Programm": "Wähle kein Gericht, 
das mehr als 10 EURO kostet und wähle kein Gericht, das Nudeln enthält."   
Entsprechend dieser "Software"   spuckte mein Gehirn schnell das Ergebnis aus. 
Habe ich unfrei entschieden? Ja, würden einige jetzt sagen, Du musstest das 
Pommesgericht wählen, weil Du Nudeln nicht magst, was in Deinem Gehirn 
gespeichert ist. 
Das heißt, ich hatte keine freie Entscheidung, weil mich meine im Gehirn 
verankerte Abneigung gegen Nudeln "gezwungen"   hat, die Pommes zu wählen? Dagegen 
würde ich sagen: Was ist da Zwang, wenn ich meinen Vorlieben nachgehe? 
Oder besteht die Unfreiheit schon darin, dass ich in meiner Entscheidung von 
Vorgängen in meinem Gehirn abhängig bin? Das wäre allerdings eine neue Variante 
der Zwei-Welten-Lehre: Hier bin ich und da ist mein Gehirn. Aber was bin ich 
ohne Gehirn? Und wer ist mein Gehirn.
***
Das Denken in 
Ursache-Wirkungszusammenhängen beschränkt sich meist auf die Beziehung zwischen 
zwei Phänomenen: "U bewirkt F" bzw. "F ist die Folge von U".
Gewöhnlich ist der Zusammenhang jedoch weitaus komplizierter. Er ist nicht 
monokausal sondern multikausal. Das heißt, dass verschiedene Phänomene 
zusammenwirken, damit F eintritt.
Auch die Seite der Folgewirkung ist komplizierter. Man hat F herbeigeführt, 
indem man U1 bis Un geschaffen hat. Aber man weiß nicht, 
welche Folgen man noch bewirkt hat. Dies ist das Problem der unbekannten 
"Nebenfolgen" und "Spätfolgen" eines Eingriffs in den Gang der Dinge.
Als weitere Komplikation gibt es die sogenannten "Wechselwirkungen".
***
Natürliche Regelmäßigkeiten und Freiheit
Dem Deterministen tritt die Natur mit 
ihren Eigenschaften als eine eherne Notwendigkeit gegenüber, als ein gewaltiges 
Uhrwerk, in dem der Mensch ein winziges Rädchen ohne jegliche Freiheit ist. 
Stattdessen leben wir in diesen natürlichen Regelmäßigkeiten wie Fische im 
Wasser. Nehmen wir z. B. die Schwerkraft. Sie nimmt uns keine Freiheit, sondern 
wir gehen, laufen, springen, werfen gerade durch und mit diesen Regelmäßigkeiten. 
Wir 
leben in dieser Natur, sind Teil dieser Natur, sind das, was wir sind, durch 
diese natürlichen Bedingungen geworden, wir passen in diese Welt.
***
 
Unterliegt unser Handeln kausalen Gesetzmäßigkeiten?
Um eine Frage beantworten zu können, muss als erstes deren Bedeutung geklärt werden.
In unserm Fall ist vor allem zu klären, was mit dem Wort "determiniert" 
in Bezug auf menschliches Handeln gemeint ist. Ein Ereignis soll 
dann und nur dann als "determiniert" bezeichnet werden, wenn es kausalen Gesetzmäßigkeiten unterliegt.
Unter einer "Gesetzmäßigkeit" wird eine "ausnahmslos an jedem Ort und zu jeder Zeit geltende 
Regelmäßigkeit" verstanden. "Kausale Gesetzmäßigkeit" hieße dann, dass immer 
dann, wenn eine bestimmte Konstellation von Bedingungen (die "Ursache") gegeben 
ist, zeitlich nachfolgend ein bestimmtes Ereignis (die "Folge") eintritt. Gemäß dieser 
Definition sind mathematische Gesetzmäßigkeiten wie der Satz: "Die Winkelsumme 
im Dreieck beträgt 360 Grad" keine kausale Gesetzmäßigkeiten, denn sie drücken 
keine zeitliche Folge aus. Siehe auch 
die folgenden thematisch verwandten Texte in der Ethik-Werkstatt:
Die Ausgangsfrage "Ist das menschliche Handeln determiniert?" lautet dann umformuliert: "Unterliegt menschliches Handeln ausnahmslosen empirischen Regelmäßigkeiten?"
Jemand, der diese Frage bejaht, wird als "Determinist" bezeichnet. (Zu beachten 
ist dabei, dass die nachfolgenden Überlegungen nur für den in dieser Weise definierten 
Deterministen und nicht für andere Varianten des "Determinismus" gelten.) 
Es ist naheliegend, die These des Determinismus "Das menschliche Handeln unterliegt 
ausnahmslosen empirischen Regelmäßigkeiten" als eine Aussage über die wirkliche 
Beschaffenheit der Welt anzusehen. Eine Aussage über die Beschaffenheit der Welt 
kann man anhand von Sinneswahrnehmungen, vor allem Beobachtungen empirisch 
überprüfen. Dies kann im vorliegenden Fall so geschehen, dass man ein bestimmtes 
Handeln eines Menschen herausgreift und nach der Ursache dieses Handelns fragt, 
also nach der Regelmäßigkeit, die dem Auftreten dieses Handelns dieses Handelns zugrundeliegt. 
Man kann z. B. fragen, warum Miroslav Klose als Mitglied der deutschen Fußballnationalmannschaft in dem Spiel gegen  Argentinien am 
xx.xx.2010 dem argentinischen Spieler X in der x. Spielminute von hinten in die 
Hacken getreten hat. Ohne hier im Einzelnen zu versuchen, eine Antwort auf diese 
Frage zu geben, so ist wohl unstrittig, dass sich keine Formulierung der 
zugrundeliegenden Regelmäßigkeiten finden lässt, die ausnahmslos gilt. Der Versuch, eine 
kausale Gesetzmäßigkeit nach dem Muster "Wenn die Bedingungen u, v, w ... 
gegeben sind, dann tritt ein Fußballspieler einem gegnerischen Spieler in den 
Hacken" zu formulieren, ist zum Scheitern verurteilt. Nicht umsonst hat die 
Psychologie als Wissenschaft bereits große Schwierigkeiten, wenn sie 
Regelmäßigkeiten des Handelns für bestimmte Menschengruppen (gegenwärtig lebende 
Europäer, Frauen, Kinder, Schichtarbeiter, SPD-Wähler o.ä.) formuliert. Über 
die Aufdeckung zeitgebundener statistischer Zusammenhänge (Korrelationen) und deren Prüfung auf 
"Überzufälligkeit" (statistische Signifikanz) kommt die empirische 
Psychologie nur selten hinaus. 
Ist der Determinismus damit bereits empirisch widerlegt, weil in diesem Fall keine Regelmäßigkeiten formuliert 
werden können, die einer systematischen empirischen Überprüfung standhalten Der Determinist könnte antworten: "Ich gebe zu, dass wir 
heute noch nicht jede Handlung kausal erklären können. Das liegt an der 
Unvollkommenheit unseres Wissens und an der Komplexität des Gegenstandes. Dass 
das menschliche Handeln kausalen Gesetzmäßigkeiten unterliegt, wird noch nicht 
dadurch widerlegt, dass wir diese Gesetze häufig nicht kennen." 
Wenn der Determinist in dieser Weise argumentiert, dann kann es keine empirische 
Bestätigung oder Widerlegung der deterministischen These geben, denn wenn in 
einem Fall die Regelmäßigkeit nicht formuliert werden kann, so kann der Determinist immer 
sagen, dass wir in diesem Fall eben noch nicht über hinreichendes Wissen verfügen, um die 
zugrundeliegende kausale Regelmäßigkeit in diesem Fall formulieren zu können. 
Der Determinismus ist in dieser Form also gegen Widerlegung immunisiert.
Der Determinist argumentiert differenzierter: "Überall dort, wo unser Wissen 
groß genug ist, um alle relevanten Faktoren zu kontrollieren, stellen wir fest, 
dass es Regelmäßigkeiten gibt. Der wissenschaftliche Fortschritt wird dazu 
führen, dass ein immer größerer Bereich der Wirklichkeit durch kausale 
Regelmäßigkeiten erklärt werden kann.
 
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Geschieht alles nach Gesetzmäßigkeiten?"
 
Letzte Bearbeitung 03.10.2010 / Eberhard Wesche
Wer diese Website interessant findet, den bitte ich, 
auch Freunde, Kollegen und Bekannte auf die "Ethik-Werkstatt" hinzuweisen.