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Wege zum Konsens
Zur Methodik der argumentativen Einigung (insbesondere über Normen)
Unter einer 'argumentativen Einigung' wird ein allgemeiner und 
dauerhafter Konsens verstanden, der von einigungswilligen Individuen allein 
durch Austausch von Argumenten erzielt wird.
Das bedeutet, 
dass 
kein anderer Zwang besteht als der Zwang zur Einigung.
Ein Konsens wird als "allgemein"   bezeichnet, wenn er alle Individuen umfasst, 
für die die gesuchten Normen gelten sollen. 
 
Folgende Regeln für die Diskussion lassen sich aus dem Ziel eines argumentativen Konsens ableiten:
Wer einen dauerhaften allgemeinen argumentativen Konsens will, der muss ...
   ... zuerst Konsens über die Frage herstellen, um 
deren Beantwortung es geht,  
   ... Konsens über die Bedeutung der Begriffe 
herstellen, die in der Frage enthalten  sind,
   ... unklare Begriffe allgemein verständlich 
definieren,
   ... am Ziel des Konsens 
festhalten und darf es nicht für unerreichbar erklären,
   ... Argumentationsfreiheit bejahen,
   ... bei der Suche nach einem Konsens auf Drohungen und Versprechungen verzichten,
   ... jedem Teilnehmer das Recht zum Vorbringen aller Argumente 
gewähren,
   ... Argumente akzeptieren, die nicht 
entkräftet werden können,  
   ... Argumente übernehmen, deren Richtigkeit erwiesen 
ist,
   ... auf die Wiederholung von Argumenten verzichten, deren 
mangelnde Konsensfähigkeit bereits nachgewiesen ist,
   ... sich auf Argumente beschränken, von denen er mit 
gutem Grund annehmen kann,  
        dass sie im Prinzip 
allgemein nachvollziehbar, nachprüfbar und damit konsensfähig sind,
   ... auf solche Argumente verzichten, die zwar rhetorisch 
wirkungsvoll sind, die er aber selber nicht für richtig hält,   
   ... alle faktischen Behauptungen, die Bestandteil seiner Argumente 
sind, ebenfalls als konsensfähig nachweisen,   
   ... auf faktische Behauptungen verzichten, die nicht den 
methodischen Anforderungen der Erfahrungswissenschaften genügen,  
(Bisher handelte es sich um allgemeine Regeln konsensorientierter 
Argumentation. Die folgenden Regeln beziehen sich speziell auf ethische Fragen)
Wer einen dauerhaften allgemeinen argumentativen Konsens über Normen will, der muss ...
    ... Abstriche an seinen Interessen 
akzeptieren, wenn im Konfliktfall sonst kein Konsens möglich ist,
    ... seine eigenen Interessen und die Interessen aller andern 
gleichermaßen wohlwollend und unparteiisch berücksichtigen,
    ... auf gleichartige Fälle auch gleichartige Normen 
anwenden,
    ... die unterschiedliche normative Behandlung von Individuen mit 
faktischen Unterschieden begründen, die die Interessenlage der 
Betroffenen verändern und somit für die Konsensfähigkeit von Bedeutung sind,
    ... dazu bereit sein,  
mindestens ebenso große Opfer zu tragen, wie er anderen unter den gleichen Umständen zumutet,
    ... andern diejenigen Rechte zugestehen, die er unter den 
gleichen Umständen für sich selbst beansprucht,
    ... für sich selbst die gleichen Pflichten anerkennen, die er 
unter gleichen Umständen einem anderen zugemutet hat,
    ... eine Norm, die er akzeptiert, wenn er sich in der 
Position des besser Gestellten befindet, auch dann akzeptieren, wenn er sich in 
der Position des schlechter Gestellten befindet,
    ... sich um Verständnis für andere bemühen, indem er 
sich vorstellt, wie es wäre, wenn er sich in deren Lage befinden würde.
Ergebnis einer konkreten Diskussion kann jedoch auch der Konsens darüber sein, dass 
mehrere alternative Normen vertretbar bleiben, z. B. weil bestimmte empirische 
Fragen hinsichtlich der zu erwartenden Konsequenzen von bestimmten Handlungen 
nicht mit ausreichender Sicherheit beantwortet werden können.
Deshalb muss die Suche nach der für alle gemeinsam besten inhaltlichen Norm im 
praktischen Leben ergänzt werden durch die Normsetzung durch 
- allgemein anerkennbare - 
Verfahren.
Daraus ergibt sich wiederum die Notwendigkeit der argumentativen Einigung über 
die für alle gemeinsam besten Verfahren der Normsetzung in den 
verschiedenen Entscheidungsbereichen.
***
Ich gehe davon aus, dass Menschen Interessen haben, deren 
Erfüllung sie anstreben. Deshalb könnten sie umso eher einer normativen Regelung 
zustimmen, je mehr diese Regelung ihren individuellen Interessen entspricht. 
 
Damit stellt sich die Frage:   
Wie kann ein Mensch einsehen und deshalb freiwillig zustimmen, dass es nicht 
nach seinen Interessen gehen soll sondern gemäß bestimmten moralischen Normen?
Man kann zu diesem Menschen sagen:   
Wenn Du eine Situation der sozialen Kooperation willst und wenn Du nicht die 
Konfliktaustragung mit allen verfügbaren Mitteln willst, dann musst Du eine 
Regelung finden, der die andern ebenfalls zustimmen können und die damit den 
Konflikt friedlich löst.   
Wenn die andern zustimmen sollen, dann darfst Du aber nicht auf Deinen 
individuellen Interessen beharren, sondern musst bei der Formulierung der Norm 
die Interessen der andern Beteiligten und wohlwollend so 
berücksichtigen, wie Du es mit Deinen eigenen Interessen tust. Du musst die 
Intreressen aller Betgeiligten unparteiisch und solidarisch berücksichtigen.
***
Siehe auch die folgenden thematisch verwandten Texte in der Ethik-Werkstatt:
           
Diskussionsregeln 
           
Konsensfähigkeit 
           
Intersubjektive 
Nachvollziehbarkeit.
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Letzte Bearbeitung 26.10.2006 / Eberhard Wesche
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