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Institutionelle Normen
I.) Eine besondere Gruppe 
von Normen bilden jene Normen, die auf bestimmte gesellschaftliche Einrichtungen 
bezogen sind und deren soziale Funktionen sichern. Wenn man die Verbindlichkeit 
solcher Normen in Frage stellt, untergräbt man die dazugehörigen sozialen 
Institutionen. 
Dazu einige Beispiele:
"Diebstahl und Raub sind verboten!"  
Hier ist es die Institution des Eigentums, die durch die Norm geschützt wird. 
Wenn anderen erlaubt wird, heimlich oder gewalttätig vom Eigentum des anderen 
etwas wegzunehmen, so ist das Eigentumsrecht nicht wirksam.  
"Versprechen und Verträge sind einzuhalten!"   
Versprechen oder Verträge, die nicht eingehalten werden müssen, sind wirkungslos 
und unterscheiden sich kaum von reinen Absichtserklärungen.  
"Mehrheitsbeschlüsse sind für alle verbindlich."  
Mehrheitsbeschlüsse, an die sich niemand halten muss, sind höchstens 
Meinungsbilder.  
"Man darf kein Geld fälschen und in Umlauf bringen."  
Wenn jedes Individuum selber Geld nachmachen  und damit bezahlen darf, dann kann 
man auf die Banknoten gleich verzichten, da ihr Wert gegen null geht.  
"Die Rechtsordnung und ihre Gesetze sind zu befolgen."  
Eine Rechtsordnung, an die man sich nicht zu halten braucht, ist nicht mehr als 
eine Informationsveranstaltung über Normen.  
"Der Untergebene hat die Anordnungen seines Vorgesetzten zu befolgen."  
Eine Befehlshierarchie, in der die Anordnungen der Vorgesetzten von ihren 
Untergebenen nicht befolgt werden müssen, besitzt keinerlei Wirkung.  
"Jeder Staatsbürger hat seine Steuern zu bezahlen!"  
Wenn man nicht verpflichtet ist, Steuern zu zahlen, wird niemand dies tun und 
der Staat wird handlungsunfähig.
II.) Wenn man bei solchen Normen nach deren Begründung fragt (z. B. "Warum soll 
man Versprechen einhalten?"  ), so erscheint diese Frage in der gleichen Weise überflüssig 
wie die Frage: "Warum ist dies weiße Pferd ein Schimmel?"   
Diebstahl ist immer etwas Verbotenes, denn es kann einen Diebstahl nur dort 
geben, wo es Sondereigentum gibt. Diebstahl ist damit als Verletzung der Rechte 
des Eigentümers definiert.
Es bleibt jedoch prinzipiell möglich, die jeweilige Definition und 
Beschaffenheit dieses Eigentumsrechtes in Frage zu stellen, z. B. indem man 
sagt: "Dies Eigentumsrecht ist aus den-und-den Gründen ungerecht und wird von 
mir nicht anerkannt. Der angebliche Eigentümer ist keiner. Deshalb ist es auch 
kein Diebstahl, wenn ich mir von dem angeblichen Eigentum etwas nehme."   
Die Frage: "Darf ich mir etwas nehmen, auf das eine andere Person einen 
Eigentumsanspruch erhebt?"   führt also von der Ebene der Individualethik direkt 
auf das Gebiet der Sozialethik. Um die Frage nach der Richtigkeit der 
individuellen Handlung (jemandem etwas wegnehmen) zu beantworten, muss man die 
Frage nach der Rechtfertigung einer sozialen Einrichtung (dem Eigentumsrecht) 
stellen. Eine Ethik, die auf der Ebene der einzelnen Handlungen verbleibt und 
die Ebene der sozialen Institutionen nicht in die Diskussion mit einbezieht, 
ist deshalb von vornherein konservativ.
Die genannten sozialen Institutionen gewinnen ihre Bedeutung u. a. aus ihrer 
motivierenden Kraft (z. B. zum langfristigen Planen). Durch Auflösung der Verbindlichkeit unterstützender Normen 
wird diese Motivation jedoch wieder zerstört.
Institutionsbezogene Normen legen ein Verständnis der Moral 
als einem System unbedingt geltender Pflichten nahe, die für jeden Menschen 
unmittelbar einsichtig sind. 
Die utilitaristische Infragestellung solcher Handlungsnormen ("  Ist ein 
Diebstahl eventuell gerechtfertig, weil dadurch der Gesamtnutzen vergrößert wird?"  ) erscheint hier 
unangemessen. 
Es erscheint als irrational und selbstzerstörerisch, Institutionen wie das 
Eigentumsrecht oder das Wahlrecht wegen ihrer Vorteile für die Allgemeinheit 
einzurichten und gleichzeitig durch entsprechende Handlungsnormen die 
Bedingungen für das wirksame Funktionieren dieser Institutionen zu untergraben.
***
Siehe auch 
die folgenden thematisch verwandten Texte in der Ethik-Werkstatt:
            
Normen - was ist damit gemeint? * (28 K)
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Letzte Bearbeitung 10.01.2008 / Eberhard Wesche
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