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Durchsetzung von Normen
Gründe und Motive für die Befolgung einer Norm
Es gibt vor allem zwei Dinge, die einen 
Menschen dazu bewegen können, sich an Normen zu halten: Die 
eine ist die Einsicht, dass diese Normen richtig und 
sinnvoll sind. Die andere ist die Erwartung von positiven Sanktionen 
bei Beachtung der Normen (Lob, soziale Anerkennung etc.) 
und negativer Sanktionen bei Verletzung der Normen (Strafe, 
soziale Verachtung etc.).
 
Ein theoretischer Fortschritt in der Frage: "Wie finden wir zu allgemein akzeptablen  Normen, die man 
gegenüber jedem Individuum einsichtig begründen 
kann?"   hilft deshalb auch bei der moralischen Erziehung. Dazu müssen die 
Ergebnisse allerdings an Eltern, Lehrer und Erzieher weiter vermittelt 
werden. 
Die Vermittlung einsichtig begründeter Normen ist vor allem deshalb 
wichtig, weil die Verankerung der Moral in religiösen Überzeugungen ("Ich bin 
moralisch, weil Gott es so will"  ) mit dem Schwinden dieser 
religiösen Überzeugungen gleichzeitig zu einem Schwinden der Moral führt. 
Mit der abnehmenden Glaubwürdigkeit 
religiöser Vorstellungen wird auch die 
Belohnung bzw. Bestrafung der eigenen Taten nach 
dem Tode ("Jüngstes Gericht", Himmel und Hölle) weniger glaubwürdig. Es ist nicht zu erwarten, dass sich dieser Säkularisierungsprozess langfristig 
umkehren lässt. Die Lücke, die hier entsteht, muss deshalb 
anderweitig geschlossen werden. 
Außerdem schwindet durch die Verstädterung 
des Zusammenlebens und die damit einhergehende Anonymität der 
sozialen Beziehungen die Wirksamkeit traditioneller 
sozialer Kontrollen: Wen ich nicht kenne, den kann ich 
nicht verachten. Auch hier entsteht eine Lücke in der 
Motivation zur Einhaltung moralischer Normen, die schwer zu schließen ist. 
Schließlich gibt es ein Missverständnis der 
Marktwirtschaft, die den Einzelnen freisetzt, seine eigenen 
Interessen im Rahmen  der gegebenen Eigentumsordnung durch 
vertragliche Einigung mit andern zu verfolgen. 
Diese partielle "Ent-Moralisierung"   
im wirtschaftlichen Bereich wird nicht selten als  
Aufforderung zu einer "Ellenbogen-Gesellschaft"   und zur hemmungslosen 
persönlichen Bereicherung (zunehmende Korruption der Inhaber 
öffentlicher Ämter) missverstanden. 
***
Die problematische Annahme einer 100%igen Befolgung der Norm
Für die 
Anerkennbarkeit einer geltenden Norm kommt es immer auch darauf an, in welchem Maße diese Norm 
eingehalten wird und durchgesetzt wird. So kann eine geltende Norm, die bei allgemeiner 
Befolgung allgemein wünschenswert wäre, bei der Befolgung durch wenige 
unakzeptabel werden. 
Wenn z. B. für einen Verein die Norm aufgestellt wird, dass 
jedes Mitglied einen regelmäßigen Beitrag zu zahlen hat, so wird diese Norm 
problematisch, wenn sie nicht durchgesetzt wird und zahlreiche Vereinsmitglieder 
nicht zahlen. Für diejenigen, die weiterhin brav zahlen und die sehen, dass 
andere zwar die Möglichkeiten nutzen, die der Verein bietet, sich aber vor der 
Beitragszahlung drücken, wird die Beitragspflicht unakzeptabel. 
Deutlich wird dies Problem auch bei wechselseitigen Versprechen, 
wo die Nichteinhaltung des 
Versprechens durch den anderen von der eigenen Pflicht zur Erfüllung des 
Versprechens gewöhnlich entbindet. Hierher gehört auch die bei Normverstößen 
oft zu hörende Entschuldigung: "Andere halten sich ja auch nicht daran!". 
Allerdings beendet nicht jeder Verstoß gegen eine Norm gleich deren Anerkennbarkeit 
oder gar Verbindlichkeit. 
In diesen Zusammenhang gehört auch der Grundsatz: "Wehret den Anfängen!"   und die Erkenntnis, 
dass es schwer ist, einen einmal eingerissenen "Schlendrian"   wieder 
auszutreiben, z. B. Unpünktlichkeit. Jeder rechnet dann mit der Unpünktlichkeit 
der andern und kommt selber möglichst spät, um nicht zu lange bis zum Beginn warten zu 
müssen. So verschiebt sich der Beginn dann immer weiter nach hinten.  
***
Die 
Anerkennbarkeit von sozialen Normen kann letztlich nicht unter der Prämisse 
entschieden werden, dass die vorgeschlagene Norm hundertprozentig erfüllt wird. 
Denn möglicherweise sind die Menschen so beschaffen, dass diese 
hundertprozentige Befolgung nicht durchsetzbar ist. 
Zum Beispiel wäre im 
Völkerrecht die Norm, dass kein Staat eine militärische Streitmacht unterhalten 
darf, bei Annahme ihrer hundertprozentigen Durchsetzung allgemein wünschenswert. 
Deshalb kann aber nicht von einem einzelnen Staat verlangt werden, dass er 
abrüstet. Denn er könnte dann  leicht angegriffen werden, sofern es 
nur einen einzigen Staat gibt, der die Norm nicht einhält und die geforderte 
Abrüstung nicht vollzieht.  
***
Häufig 
werden Normen unter der Annahme ihrer ausnahmslosen Befolgung 
beurteilt entsprechend der Frage: "Wäre es für alle akzeptabel, 
wenn alle die Norm x befolgen würden?"   Hier stellt sich aber sofort die Frage: "Und was ist, wenn sich einige 
oder auch viele nicht an die Norm x halten?"   
Die 
ursprüngliche Frage lautet nun: "Wäre es für alle akzeptabel, 
wenn die einen die Norm x befolgen, die andern aber nicht?"   
Damit verändert sich natürlich die Konsensfähigkeit der Norm x. Nehmen wir ein 
Beispiel: Alle waren sich einig, dass an Stelle der unzähligen Trampelpfade, die 
bequem aber hässlich sind, ein einziger Weg angelegt wird und die Fläche 
ansonsten schön bepflanzt wird. Deshalb das Schild: "Vorsicht Anpflanzungen! 
Nicht betreten!"   
Wenn nun manche Leute dennoch die Abkürzung über die Grünfläche nehmen und "über 
den Rasen latschen", so wird für die "gesetzestreuen"   Individuen die Norm u. U. 
unakzeptabel, denn die Gesetzestreuen nehmen nicht nur den Umweg in Kauf, nun 
sind auch noch die erwarteten positiven Ergebnisse dieser Einschränkung in Form 
blühender Beete dahin. 
Einen möglichen Ausweg biete die Einrichtung einer Sanktionsinstanz, die den 
Normverletzern mit Strafen droht und damit die Einhaltung der Norm fördert. 
Damit wird der Weg der "Verrechtlichung"   beschritten. Die normative 
Fragestellung unter Einbezug der Sanktion lautet dann: "Wäre es für alle 
akzeptabel, wenn die Norm x gilt und wenn gleichzeitig gilt, dass jeder, der die Norm 
x verletzt, mit der Sanktion s bestraft wird"?  
Bei dieser Art von Fragestellung können sich andere Antworten ergeben als bei den 
Ausgangsfragen, weil nun die möglichen Nachteile der Sanktionen berücksichtigt werden 
müssen, 
z. B. die Kosten von Gefängnissen, Polizei oder Gerichten. Damit stellt sich die 
Frage, wie diese Kosten bestimmt werden können.
Da eine ausnahmslose Sanktionierung jeder Normverletzung in der Regel nicht - 
oder nur mit extremem Aufwand - durchgesetzt werden kann, muss die Fragestellung 
des Gesetzgebers genau genommen lauten:  Wäre es allgemein akzeptabel, wenn die 
Norm x verbunden mit der Androhung der Sanktion s gelten würde und die 
Sanktionierung  unter Einsatz der Mittel m1, m2, ... 
mn und einer Erfolgsquote von p Prozent erfolgt? 
Wie man sieht, kommt es auf der Ebene der Gesetzgebung sehr bald zu schwierigen 
empirischen Fragen, die im konkreten Fall nicht durch philosophisches Nachdenken 
beantwortet werden können sondern empirische Sozialforschung erfordern (Anzahl 
der Taten, Dunkelziffer, Aufklärungsquote, Einsatz polizeilicher Kräfte, Anzahl 
der Verurteilungen, Anzahl und Dauer der erforderlichen Gefängnisplätze etc.). 
Hier spielen auch wirtschaftliche Gesichtspunkte eine Rolle (Kosten der 
Strafanstalten etc.)
 
Angenommen über die Norm: "Es ist verboten, einen anderen zu 
töten, um Eigeninteressen zu befriedigen"   besteht Konsens.
Dass alle diese Norm akzeptieren, schließt nicht aus, dass nicht trotzdem 
Motive bestehen, diese Norm zu verletzen. Denn vom Eigeninteresse her gesehen 
ist es für mich am besten, wenn sich alle andern an das Tötungsverbot halten, 
ich selber mir jedoch die Freiheit nehme, lästige Konkurrenten und Nebenbuhler 
zu beseitigen. 
Dass ich selber die Norm "Es ist verboten, einen anderen zu töten, um 
Eigeninteressen zu befriedigen"   für allgemein konsensfähig halte, schließt nicht 
aus, dass ich meine individuelle Situation durch Verletzung dieser Norm noch 
verbessern kann. Das heißt, ich kann die allgemein konsensfähige Norm ohne 
inneren Widerspruch bewusst verletzen. Ich handele dabei nicht irrational, 
jedoch "unvernünftig"   bezogen auf eine vernünftig begründete Norm. 
Damit stellt sich die Frage: Wie kann ein derartiges Verhalten verhindert 
werden, das zu Zuständen führen muss, die von den normtreuen Individuen 
keineswegs mehr akzeptiert werden können?
Eine Möglichkeit, die Individuen zu Befolgung von Normen zu motivieren, ist die 
Einsicht in den hohen Wert einer wirksamen moralischen Ordnung. Dazu gehört die 
Einsicht in die Schrecken einer Situation ohne eine solche Ordnung. Diese 
Aufgabe kann Moralphilosophie und ihre Vermittlung erfüllen.
Eine weitere Möglichkeit ist die Anerziehung von Scham- und Schuldgefühlen als 
unwillkürliche emotionale Reaktion auf eigene Normverletzungen. Dem dienen 
Ermahnungen wie "Du solltest Dich was schämen!"   oder "Du hast damit eine schwere 
Schuld auf Dich geladen."   (Die Erhebung des sprichwörtlichen "moralischen 
Zeigefingers"   - womöglich mit der entsprechenden schlagenden Handbewegung - 
gehört nicht hierher, da dies eine symbolische Androhung von Schlägen, also äußerer Sanktion ist.)
Die Anerziehung eines "Gewissens", das auf eigene Normverletzungen mit "Gewissensbissen"   reagiert, bleibt auch dann im Täter wirksam, wenn unbekannt bleibt, 
dass er 
die Normverletzung begangen hat. 
Angesichts der Tatsache, dass durch Normverletzungen z. T. erhebliche 
individuelle Vorteile erlangt werden können, reichen vernünftige Einsicht und 
internalisierte Sanktionen oft nicht aus, um die Einhaltung der Normen zumindest soweit zu 
garantieren, dass die Normtreuen nicht die Dummen sind.
Deshalb müssen als Gegenwicht zu den lockenden Vorteilen einer Normverletzung 
negative Konsequenzen (Strafen) für den Normverletzer angedroht werden, die zur 
Einhaltung der Normen motivieren. Die angedrohten Strafen müssen dabei 
mindestens so stark sein, dass sich die Normverletzung nicht lohnt, wobei auch 
das unterschiedlich große Risiko ertappt zu werden eine Rolle spielt.
***
Wozu sind Strafen 
nötig?
Zum einen, um die Individuen zu motivieren, die geltenden Regeln zu 
befolgen. Aber hinzu kommt ein anderer Gesichtspunkt: ohne die Bestrafung der 
Regelverletzer ist die Regel meist für die Regeltreuen nicht anerkennbar. 
Bei der Beurteilung einer Norm geht man oft von der Annahme aus, dass die Norm allgemein befolgt 
wird, aber dies muss ja nicht der Wirklichkeit entsprechen. Wenn einige von der 
Selbstbeschränkung der anderen profitieren, so verliert die Regel an 
allgemeiner Anerkennbarkeit.
[Merkposten: ... Rachebedürfnis, Genugtuung, ausgleichende Gerechtigkeit, Verbüßen der 
Strafe, Sühne, Strafe als Tilgung der Schuld, Kosten des Sanktionsmechanismus, 
Anforderungen an den Sanktionsmechanismus: Ermittlung des Regelverletzers, 
Festnahme des Regelverletzers, Probleme bei niedriger Aufklärungsrate,  
Probleme der irrtümlichen Bestrafung .."  im Zweifel für den Angeklagten", "Justizirrtum" bei Todesstrafe, Strafen als Kosten (Leiden),  Bemessung 
der Strafe, "verdiente Strafe", Selbstjustiz, Anforderungen an das Gericht 
(Befangenheit), Geringfügigkeit, abschreckende Wirkung der Strafe (ohne Kosten), 
öffentliche Wirkung der Strafe, bessernde Wirkung auf den Regelverletzer.]
***
Die notwendige Verinnerlichung der Normen
Ohne verinnerlichte moralische Einstellungen der Individuen ist eine Gesellschaft schlecht dran. Wenn keiner dem andern trauen kann, wenn jeder damit rechnen muss, dass die anderen die Norm verletzen, sobald sie glauben, ungestraft davonzukommen, dann ist das Zusammenleben äußerst erschwert. Die Polizei allein kann die soziale Ordnung nicht aufrecht erhalten. Es kann nicht hinter jedem Bürger ein Polizist stehen, und wenn es keine Amtsmoral bei den Polizisten gäbe, müsste man auch noch hinter jeden Polizisten einen Aufpasser stellen - aber wen?
***
Es gibt 
immer Situationen, wo die äußeren Sanktionen nicht hinreichen und es einer 
verinnerlichten moralischen Haltung bedarf. Die Umkleidekabine im Schwimmbad, 
die beschmiert wird, der Fahrstuhl der beschädigt wird, die einsame Landstraße, 
an der Müll abgekippt wird: das "Auge des Gesetzes"   reicht nicht überall hin. 
Und der Spruch "Der liebe Gott sieht alles"   ist heutzutage auch keine 
glaubwürdige Abschreckung mehr. 
Deshalb müssen die Individuen selber vom Sinn 
der geltenden Verhaltensnormen überzeugt sein und sie sich zu eigen gemacht 
haben. Eigene Verletzungen dieser Normen erlebt das Individuum dann als 
Versagen, sie beeinträchtigen sein Selbstwertgefühl, es verurteilt sich 
moralisch selbst und entwickelt Scham- und Schuldgefühle. Diese
inneren Sanktionen stützen die Moral.  
***
 Verstöße gegen ethische Normen
Oft werden ethische Normen  
unter der Annahme diskutiert, dass sie auch befolgt werden. Die 
Frage, die bei der Suche nach konsensfähigen Normen dann gestellt 
wird, lautet: "Können alle wollen, dass die Norm x 
allgemein befolgt wird?"    Bestimmte Normen wie "Man soll einen anderen 
nicht töten (verletzen, beleidigen, belügen, betrügen 
oder quälen) es sei denn, die Bedingungen r, s, t  liegen vor"   
können dabei im Falle ihrer allgemeinen Befolgung meines 
Erachtens als allgemein akzeptabel ausgemacht werden. 
Was ist aber, wenn Individuum A die Norm x 
nicht befolgt,  jedoch gleichzeitig den Schutz dieser Norm in 
Anspruch nimmt.  Ein solcher Zustand ist aus zwei Gründen für 
die "normtreuen"   Individuen nicht konsensfähig: Erstens erlegt 
sich der  Normverletzer A nicht die Einschränkungen der 
Norm x auf und  beteiligt somit nicht an den "Kosten", die 
die Einführung  der Norm mit sich bringt, und zweitens 
schmälert er durch sein  normwidriges Verhalten den Vorteil, den die 
Normtreuen aus der  Einführung der Norm x ziehen könnten. 
Die Konsensfähigkeit der Norm x kann jedoch meist durch ihre  Sanktionierung wieder 
hergestellt werden, wobei man zwischen verinnerlichten und äußeren 
Sanktionen unterscheiden kann. 
Die verinnerlichten moralischen Einstellungen lösen beim  Normverletzer Schuld- und Schamgefühle, 
Selbstvorwürfe oder Minderwertigkeitsgefühle aus. Das Individuum 
lernt von Kindheit an, dass "man bestimmte Dinge nicht 
tut"   und dass jemand, der diese Dinge trotzdem tut, ein "schlechter Mensch"   ist, der Verachtung und eine entsprechende 
Behandlung durch die andern Gruppenmitglieder verdient. (Bei 
religiös orientierten Individuen kommt noch das 
schuldig werden vor Gott hinzu, also die Sünde und ihre 
angenommenen Folgen.) In Gruppen, wo jeder jeden kennt, können diese 
durch die "Sozialisation"   und die moralische  Erziehung 
verinnerlichten Sanktionen eine ausreichende starke Motivation schaffen, um in 
den allermeisten Fällen die Befolgung der Norm zu sichern. 
Zum andern gibt es äußere Sanktionen gegen den Normverletzer wie den Verlust seines 
sozialen Ansehens und die damit verbundene Beeinträchtigung seiner 
sozialen Beziehungen sowie  institutionalisierte Strafen, deren Erwartung bzw. Androhung zur Befolgung der  
Norm motivieren   soll. Durch eine in der Höhe angemessene 
Bestrafung des  Normverletzers wird zugleich die 
Konsensfähigkeit der Norm  wiederhergestellt, da es jetzt keine sachlich 
unbegründete Besserstellung des Normverletzers mehr gibt. 
Unter dem Aspekt  der allgemeinen Konsensfähigkeit von Normen 
hat die Bestrafung  deshalb einen eigenen Stellenwert und kann 
nicht nur unter dem  Aspekt der Resozialisierung des 
Normverletzers beurteilt  werden. Dabei entsteht die zusätzliche 
ethische Frage, was die "gerechte"   und "verdiente"   Strafe für eine 
bestimmte  Normverletzung ist.
***
Angenommen wir haben einen Menschen, der eine geltende Norm verletzt, wir haben einen Hund, der etwas tut, was er nicht soll, und wir haben eine Maschine, die nicht so funktioniert, wie sie soll. In allen drei Fällen werden Maßnahmen ergriffen, um zukünftig Derartiges möglichst zu verhindern. Was macht den Unterschied zwischen diesen drei Fällen aus?
***
Warum gibt es im Recht nur negative Sanktionen? In der Moral gibt es ja auch positive Sanktionen, moralische Anerkennung, Lob für moralisch hoch stehendes Verhalten: Helden und Heilige als leuchtende Vorbilder, hinstellen anderer als Vorbilder in der Erziehung (ein zweifelhaftes Mittel).
***
Es gibt 
offenbar Verhaltensweisen, die im Interesse aller liegen, die jedoch nicht zur 
moralischen oder rechtlichen Pflicht gemacht werden können: ein Beispiel wäre die freiwillige Wohltätigkeit 
der Reichen, die den Armen abgeben, schenken, spenden. 
Warum kann Wohltätigkeit nicht zur 
Pflicht gemacht werden? Weil es mit der Institution des Eigentums nicht 
vereinbar wäre. (Aber es gibt eine vage rechtliche Regelung gegen die zu große 
Ungleichheit durch die Norm: "Eigentum verpflichtet".)
***
Die Frage nach den eingesetzten Mitteln für die Verwirklichung der angedrohten 
Sanktionen stellt sich in der Praxis nicht für jede Norm neu, sondern es gibt 
einen allgemeinen staatlichen Sanktionsapparat, der die Aufgabe hat, die 
Verletzungen in Bezug auf alle Normen zu erfassen und zu ahnden. Ob mehr 
Polizisten, mehr Staatsanwälte, mehr Richter, mehr Gefängnisse oder mehr 
Staatsanwälte benötigt werden, wird relativ selten in Bezug auf einzelne Normen 
diskutiert sondern eher als Frage nach dem allgemeinen Grad des Schutzes, den 
der Staat seinen Bürgern vor Normverletzungen bietet. 
Obwohl es schwierig ist, die Kosten der Sanktionierung den einzelnen Normen 
zuzuordnen, ist eine entsprechende Kalkulation jedoch Voraussetzung einer 
rationalen Gesetzgebung.  
***
Man muss verschiedene "Geltungsebenen"   der Normen unterscheiden, wobei 
die Ebenen durch die Art der Sanktionierung bestimmt werden.
Eine erste Ebene wird durch innerpsychische Sanktionen wie Selbstvorwürfe, 
Schuldgefühle, Gewissensbisse, Schamgefühle bestimmt.
Eine andere Ebene wird durch die "naturwüchsigen"   Sanktionen aus der 
Gesellschaft bestimmt wie Verlust an Achtung, Wertschätzung, Ansehen, 
Beliebtheit  und den daraus resultierenden Folgen für den Normverletzer.
Eine weitere Ebene sind die sozial geregelten Sanktionsverfahren eines 
Rechtssystems: Geldstrafe, Freiheitsentzug, Todesstrafe etc.
***
Eigeninteresse an einer moralisch geprägten Gesellschaft
Auf einer Ebene gibt es offenbar eine Verbindung von Eigeninteresse und Moral: 
Es gibt zumindest in manchen Punkten das Interesse aller daran, dass alle bestimmte Verhaltensnormen 
befolgen. Anders ausgedrückt: der Zustand, in dem alle eine bestimmte Norm 
einhalten, ist für alle besser als der Zustand, in dem keine derartige Norm 
(oder eine andere Norm) alle gilt. [Klären, für welche Normen das gilt / es gilt 
offenbar vor allem dann, wenn sich die Individuen in vergleichbarer Lage 
befinden / wie ist das bei Normenkomplexen? ]
Vor dem Hintergrund einer allgemein praktizierten Moral gibt es jedoch wieder 
das Auseinanderklaffen von Eigeninteresse und Moral, 
indem es für den Einzelnen 
besonders vorteilhaft ist, wenn die anderen die Norm befolgen, er selber sich jedoch 
nicht daran hält.
Dies ist ein sekundäres Trittbrettfahrerphänomen, das die 
allgemeine Geltung der Norm bereits voraussetzt. Das Eigeninteresse ist hier 
parasitär und kann nicht auf allgemeine Anerkennung rechnen.
Allerdings ist die Sache komplizierter, weil die Frage: "Wäre es für alle 
besser, wenn die Norm N befolgt würde?"   voraussetzt, dass die Norm lückenlos 
befolgt wird. Dieser Zustand wird sich jedoch meist nicht realisieren lassen (s. o. 
zum Trittbrettfahrer-Phänomen). In der Praxis stellt sich also immer zugleich 
die Frage der Durchsetzbarkeit einer Norm, wenn es um deren Anerkennbarkeit 
geht. So mag eine Norm, die nur von der Hälfte der Individuen befolgt wird, 
nicht mehr für alle vorteilhaft sein, weil nun noch die Nachteile durch das 
normwidrige Verhalten der einen Hälfte zu berücksichtigen sind. [Beispiele, 
unterschiedliche Empfindlichkeit verschiedener Bereiche gegenüber 
Normverletzungen]
Hinzu kommt im Falle unvollständiger Normbefolgung das Problem der 
Ungerechtigkeit im Sinne einer ungleichen Verteilung der Vor- und Nachteile. Die 
Normverletzer vermeiden im Unterschied zu den Normbefolgern die Nachteile einer 
Einschränkung durch die Norm. 
Ein Beispiel soll dies verdeutlichen. Wenn etwa für jeden der schöne Anblick 
einer Grünanlage wichtiger ist als die halbe Minute, die man benötigt, um um sie 
herumzugehen, so ist es für jeden besser, wenn die Grünanlage nicht betreten 
wird. Wenn das entsprechende Verbot jedoch nicht allgemein befolgt wird, so 
beteiligen sich diejenigen, die "quer Beet latschen", nicht an den "Kosten"   der 
Regelung (durch den eigenen Umweg), ziehen jedoch den Nutzen aus der von anderen 
normtreuen Individuen geschonten Grünanlage.
Dies ist zum einen "ungerecht"   im Sinne einer nicht allgemein anerkennbaren 
Verteilung der Nutzen und Lasten. 
Zum andern mag die weitere Befolgung der Norm für den Normtreuen unvorteilhaft 
werden, weil die erreichte geringfügige Schonung der Grünanlage für ihn die 
Nachteile des eigenen Umwegs nicht mehr aufwiegt.
Nichtbefolgung höhlt also eine Moral aus und entzieht auch einer "eigentlich"   
(d. h. bei allgemeiner Befolgung) "vernünftigen"   Norm ihre Grundlage.
Und wenn die "Moral"   erst einmal "ruiniert"   ist ("Das machen die andern ja auch! 
Das macht ja jeder so! Ich wäre ja blöd!"), dann ist es gewöhnlich sehr schwer, 
sie wieder in Kraft zu setzen. Wenn "die Sitten erstmal heruntergekommen sind", 
dann lassen sie sich nur schwer wieder herstellen, weil es dazu des Vertrauens 
bedarf, dass sich zukünftig auch die anderen wieder daran halten werden.
Siehe auch 
die folgenden thematisch verwandten Texte in der Ethik-Werkstatt:
   
Sinn und Rechtfertigung der Strafe ** (7 K)
 
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Letzte Bearbeitung 01.11.2012 / Eberhard Wesche
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