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Sinn und Rechtfertigung der Strafe
Inhalt
: 
Die Fragestellung 
Die Bestrafung und 
deren Androhung schwächen den Willen zur Normverletzung
	Alternativen zur Strafe
	Nicht-willentliche und 
eingeschränkt willentliche Normverletzung
	Strafe zur Wiederherstellung einer 
	konsensfähigen Ordnung 
Strafe als 
Genugtuung für die Opfer der Normverletzung 
Textbeginn:
 
Die Fragestellung
	Die besten Handlu
Die 
Strafe und deren Androhung schwächen 
den Willen zur Normverletzung
	
Zur Verringerung von Normverletzungen gibt es neben der 
Strafandrohung eine Reihe weiterer Möglichkeiten:
 - Man kann durch Argumentation, Belehrung, 
Information und Aufklärung die  vernünftige Einsicht in die Notendigkeit und Richtigkeit 
	der Norm (Rechtsbewusstsein, Moralverständnis) fördern. Wenn es gelingt, die 
Normadressaten von der Berechtigung einer Norm zu überzeugen, so ist dies die 
denkbar stabilste Grundlage für die Durchsetzung einer Norm. 
 - Man kann durch Einübung, Gewöhnung und vorbildliches Verhalten 
	der Erziehungspersonen bereits im Kindesalter die  
	Aneignung ("Verinnerlichung") von Normen fördern. Dabei wird in der Persönlichkeit des 
Einzelnen eine Instanz in Form des Gewissens ("Über-Ich") ausgebildet und 
geschärft, die auch das eigene Handeln vom Standpunkt der verinnerlichten Normen aus beurteilt und bei Normverletzungen 
mit "Gewissensbissen", 
Scham- und Schuldgefühlen sowie Selbstvorwürfen reagiert. Wie die Redewendung 
vom "gewissenlosen" Normverletzer anzeigt, ist diese Instanz jedoch von Mensch zu 
Mensch unterschiedlich stark ausgebildet. Außerdem sind die Inhalte des 
Gewissens von Mensch zu Mensch wegen der unterschiedlichen Erziehungsinhalte nicht immer gleich.
 - Man kann in 
der moralischen Erziehung an das Bedürfnis  
nach sozialer Anerkennung (Ansehen, Achtung, Ehre etc.) anknüpfen, das bei den allermeisten Menschen vorhanden ist. 
Ein Normverletzer, der allgemein verachtet wird, kann dies Bedürfnis nicht befriedigen. 
Ihm bleibt höchstens die Anerkennung im kriminellen Milieu. Da der Mensch ein geselliges, soziales Wesen ist, das als isoliertes 
Einzelwesen normalerweise nicht überleben kann, ist seine Stellung in den 
verschiedenen sozialen Einheiten (Familie, Verwandtschaft, Staat, Schule, 
Betrieb, Nachbarschaft, Verein, Gemeinde etc.) für den Einzelnen in der Regel großer Bedeutung.
 - Man 
	kann bestimmte Arten von 
Normverletzungen 
wie Körperverletzung, Diebstahl, Sachbeschädigung etc. durch besondere 
Schutzvorkehrungen verhindern oder zumindest erschweren 
(Zäune, Mauern, Gräben, Ketten, Schlösser, kugelsichere Westen, Bunker, Alarmanlagen, Wachpersonal, 
künstliche Beleuchtung, Elektrozäune o. ä.) . 
 - Man kann wichtige Normen durch begleitende Normen vor ihrer 
Verletzung schützen ("flankierende Maßnahmen"). So kann man z. B. das Verbot der 
Einnahme einer berauschenden Droge dadurch stützen, dass man bereits  
die Herstellung und den Handel damit unter Strafe stellt.
 - 
Man kann denjenigen, die die Norm befolgen, eine  Belohnung 
in Aussicht stellen und so den Willen der Einzelnen zur 
Normbefolgung verstärken ("positive Sanktionierung").
Weitere 
	Maßnahmen sind denkbar und neue Maßnahmen können entdeckt werden. Wie sich 
jedoch bei den unterschiedlichsten Gesellschaftsordnungen zeigt, kann zwar auf den oben genannten 
Wegen vieles erreicht werden. Letztlich reichen die genannten Maßnahmen jedoch 
nicht aus, um die geltenden Normen hinreichend vor Verletzungen zu 
schützen, so dass auf eine Bestrafung nicht verzichtet werden kann.   
Nicht gewollte Normverletzungen und eingeschränkt 
gewollte Normverletzungen
Bisher wurde davon ausgegangen, 
dass jemand, der etwas tut, dies auch tun will, dass also jemand, der eine 
Norm verletzt, diese Norm auch verletzen will. Diese Voraussetzung ist 
normalerweise gegeben. Es gibt jedoch auch Fälle, in denen jemand 
etwas tut, was seinem eigentlichen Willen nicht entspricht. Solche nicht 
oder nur eingeschränkt gewollten Normverletzungen treten z. B. auf ...
 - 
... wenn der Normverletzer (im Folgenden auch kurz als "Täter" oder "Straftäter" 
bezeichnet) zur Normverletzung (im Folgenden als "Tat" oder "Straftat" 
bezeichnet) gezwungen wird. Ein Beispiel: Der Kassierer 
einer Bank wird durch die Drohung mit einer geladenen Pistole zur Herausgabe von 
Geld an einen nicht Berechtigten genötigt. 
 - ... wenn der Täter zum 
Zeitpunkt der Tat  "nicht er selber ist". Dies kann der Fall sein bei 
der Einnahme von Rauschmitteln wie Alkohol oder Kokain, bei psychischen 
Erkrankungen, die mit Wahnvorstellungen oder triebhaften Zwangshandlungen 
einhergehen, unter Hypnose, bei extremen psychischen Belastungen etc.
   
 -... wenn dem Täter die Tat  versehentlich oder unabsichtlich 
"passiert" ist, z. B. wenn eine Krankenschwester zwei ähnlich 
verpackte Medikamente verwechselt 
und der Patient nach deren Einnahme stirbt.
 - ... wenn dem Täter gar nicht bewusst 
ist, dass er mit seinem Handeln eine bestimmte Norm verletzt, wie z. B. bei 
 
Unkenntnis einer geltenden Norm oder bei Missverständnissen in Bezug auf 
den Inhalt einer Norm etc. Dies ist generell der Fall bei unmündigen Kindern, 
die viele Normen und deren Wichtigkeit nicht kennen.
In den genannten 
Fällen ist der Wille zur Normbefolgung vorhanden und kann auch durch eine 
Bestrafung nicht mehr verstärkt werden. Deshalb ist in diesen Fällen eine Bestrafung 
zumindest unter dem Gesichtspunkt der Normdurchsetzung sinnlos. (Es kann allerdings 
sinnvoll sein, Handlungen, die voraussehbar 
zu derart ungewollten Normverletzungen führen, unter Strafe zu stellen wie z. B. die 
Nichtbeachtung von Informationspflichten hinsichtlich der geltenden Normen, den 
unkontrollierten Konsum von Rauschmitteln oder die mangelnde Sorgfalt bei 
besonders wichtigen oder gefährlichen Tätigkeiten.)
Die Bestrafung eines 
Normverletzers ist unter dem Gesichtspunkt der Normdurchsetzung außerdem dann 
überflüssig, ...
  ... wenn der Täter sein Denken und Handeln nach 
der Tat glaubhaft verändert hat, wenn er die Tat aufrichtig bereut und wenn 
nicht zu erwarten ist, dass er eine solche Tat noch einmal begeht. Dazu ist 
jedoch ein entsprechendes Verhalten erforderlich (Mitgefühl mit den Opfern, Bemühen um 
eine Wiedergutmachung des Schadens, Bitte um Vergebung, Mitarbeit bei der 
lückenlosen Aufklärung der Tat etc.).
  ... wenn ein Täter durch die Begleitumstände 
der Tat "bereits genug bestraft ist". Dies ist z. B. dann der Fall, wenn 
der Täter bei der 
Ausführung der Tat abstürzt und in der Folge sein weiteres Leben lang auf einen Rollstuhl 
angewiesen ist.
 Eine Betrafung ist auch dann nicht gerechtfertigt, ...
  ... wenn der Täter die Norm verletzt hat, um nicht eine andere wichtigere 
Norm verletzen zu müssen. Ein Beispiel für einen solchen 
 Normenkonflikt 
ist es, wenn jemand trotz Verbotsschild ein privates Grundstück betritt, um schnelle 
Hilfe für einen lebensgefährlich Verletzten zu holen. 
Man kann in 
Bezug auf den Willen zur Normverletzung verschiedene Varianten unterscheiden:
	 - die vorsätzliche normverletzende Tat. Der Täter kennt die Norm, die er verletzt, 
	und er kennt die angedrohten Strafen. Ihm geht es dabei 
	allein um seinen Vorteil; 
 - die Überzeugungstat:  
Der Täter ist von der Ungültigkeit und Ungerechtigkeit der von ihm verletzten 
Norm überzeugt und bekennt sich zu seiner Tat. 
 - die bedingt 
vorsätzliche Tat. Der Täter 
tut etwas, was im Grenzbereich zwischen ungewollter und gewollter 
	Normverletzung liegt. So kann der Gebrauch einer Schusswaffe für den 
	Täter notwendig werden, wenn eines der Opfer den ihm bekannten Täter 
	erkennt. Er weiß von dieser Gefahr, denn die Tat findet im eigenen Milieu 
	statt. Der Täter nimmt diese Möglichkeit trotzdem billigend in Kauf.
 - die 
fahrlässige Tat. Der Täter 
will keine Normverletzung, jedoch kommt es dazu, weil er die notwendige erhöhte Sorgfalt 
vermissen lässt.
 - die Tat im Affekt.  
Der Täter befindet sich in einer emotionalen Ausnahmesituation.
 - 
die Tat in einer außergewöhnlichen Versuchungssituation
       
Ein Beispiel: Der Täter ist bettelarm und steckt das goldene Armband ein, das 
jemand unbeaufsichtigt liegengelassen hat.
 - die Tat eines Individuums, das generell nicht zur bewussten 
Selbststeuerung in der Lage ist.
        
Ein 3-jähriger löst in einem unbeobachteten Moment die Feststellbremse und das 
Auto rollt gegen eine Wand.
Bei der Beurteilung einer Norm geht man oft von der Annahme aus, dass die Norm allgemein befolgt 
wird, aber dies muss ja nicht der Wirklichkeit entsprechen: Wenn normverletzende 
Individuen von der Selbstbeschränkung der anderen profitieren, so verliert die 
Norm an 
allgemeiner Anerkennbarkeit.
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Siehe auch die folgenden 
	thematisch verwandten Texte in der Ethik-Werkstatt:
	   
	
Durchsetzung von Normen - Notizen * (23 K) 
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