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Erkenntnis – Wahrheit – Wissenschaft
Inhalt:
 1. Erkenntnis als 
Beantwortung von Fragen
 2. 
Wissenschaft als methodische Suche nach allgemeingültigen Antworten
 3. Die Unterteilung der 
Wissenschaften
 4. 
Das Intersubjektivitätsprinzip als Bedingung der Argumentation
 5. Das Gebot der Verständlichkeit
 6. Das Gebot der 
logischen Widerspruchsfreiheit 
 7. Die Forderung 
nach Bestimmtheit der Antworten 
 8. Die 
Leistung der logischen Deduktion bei der Argumentation 
 9. Übereinstimmende Wahrnehmungen als Kriterium für empirische Behauptungen 
10. Die 
Überprüfung verschiedener Typen von Aussagen 
11. Die Überprüfung von 
All-Aussagen 
12. Die Überprüfung von 
Existenz-Aussagen 
13. 
Hypothetische Konstrukte und ihre Operationalisierung 
14. Die Validität 
operationaler Definitionen 
15. Statistische Aussagen 
16. Die statistische 
Prüfung von Hypothesen  
***
Textanfang
1. Erkenntnis als Beantwortung 
von Fragen
Als "Erkennen"   kann man diejenige Tätigkeit des Menschen 
bezeichnen, die sich mit der richtigen Beantwortung von Fragen befasst. Es existiert ein 
Problem (Jemand ist krank), ausgedrückt durch offene Fragen (Unter welcher 
Krankheit leidet er? Wie kann man die Krankheit heilen?), und es wird nach einer Antwort auf 
diese Fragen gesucht. Die richtigen Antworten auf die gestellten Fragen kann man 
als "Wissen"   bezeichnen. Bei entsprechendem Wissen "weiß"   man die Antwort auf 
die gestellten Fragen.
Fragen und Antworten sind sprachliche Gebilde, also "Texte". Nun dient die Sprache nicht nur 
der Erkenntnis. Die Umgangssprache ist ein außerordentlich vielseitiges 
Instrument. Man kann damit Gedichte verfassen, Märchen erzählen,  andere Menschen trösten, Versprechen 
abgeben, jemanden verfluchen oder beleidigen usw..
Nicht jeder Text bezieht sich also auf die Gewinnung von Wissen. So 
wird in einem lyrischen Gedicht gewöhnlich keine Antwort auf eine bestimmte 
Frage gegeben, sondern es wird z. B. ein bestimmter psychischer Zustand durch 
den Verfasser sprachlich ausgedrückt und festgehalten.
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2. Wissenschaft als methodische Suche nach allgemeingültigen Antworten
Nun gibt es im Prinzip die verschiedensten Möglichkeiten, um auf Fragen eine 
Antwort zu erhalten: man kann sich an die vorherrschende Meinung halten; man 
kann die Antwort wählen, die einen am meisten befriedigt; man 
kann Wahrsager oder heilige Bücher zu Rate ziehen usw. usf.
Gesucht wird jedoch nicht irgendeine 
Art von Antwort sondern die richtige Antwort. "Richtig" bedeutet dabei 
zugleich "für jeden und dauerhaft richtig". Richtige Antworten können nur mit 
allgemeingültigen Aussagen formuliert werden.
Diejenigen Erkenntnisverfahren, die methodisch nach allgemeingültigen Antworten 
suchen und die diesen Anspruch nachvollziehbar zu begründen versuchen, 
sollen im Folgenden als "wissenschaftliche Methoden'' bezeichnet werden. Wissenschaftliche Behauptungen 
beanspruchen Allgemeingültigkeit, und zwar derart, dass jedermann diesen 
Behauptungen allein aufgrund von Argumenten zustimmen kann. 
Das Streben nach 
allgemeingültigen (d.h. intersubjektiv und intertemporal gültigen) Antworten, denen jedermann 
zustimmen kann, ist das methodische Grundprinzip aller wissenschaftlichen 
Erkenntnis. Dies Prinzip, dass man auch als "Intersubjektivitätsprinzip"   
bezeichnen kann, bildet die Grundlage für alle weiteren methodischen Regeln 
wissenschaftlicher Erkenntnis.
                                                                                   
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3. Die Unterteilung der 
Wissenschaften
"Wissenschaft" war als das Erkenntnisverfahren bestimmt worden, das systematisch 
und methodisch 
auf die allgemeingültige Beantwortung von Fragen ausgerichtet ist. Den gesamten 
Bereich menschlichen Fragens und Wissens kann man nach verschiedenen 
Gesichtspunkten unterteilen. 
Gebräuchlich ist vor allem die Unterteilung nach dem Gegenstand, auf den sich 
die Fragen beziehen. So unterscheidet man z. B. zwischen Naturwissenschaften und 
Sozialwissenschaften, zwischen Psychologie und Soziologie usw.. Allerdings darf 
man solche Fächereinteilungen nicht als Grenzziehungen für das Denken auffassen, 
denn viele Fragen berühren mehrere Gegenstandsbereiche und können deshalb nur 
interdisziplinär (von mehreren wissenschaftlichen Disziplinen gemeinsam) 
bearbeitet werden. 
Eine andere Einteilung wissenschaftlicher Erkenntnis ergibt sich durch die
Unterscheidung der 
Fragen nach ihrer Art. So kann man diejenigen Fragen zusammenfassen, die 
sich auf die gegebene Beschaffenheit der Welt beziehen. Beispiele für solche 
Fragen wären:
- Wie hoch ist der Mount Everest?
- Wann ist Lenin gestorben?
- Wird die CDU bei der nächsten Bundestagswahl mehr als die Hälfte der Mandate gewinnen?
- Was sind die Ursachen für das Anwachsen der Arbeitslosigkeit?
- Welchen Einfluss haben Geschwindigkeitsbeschränkungen auf die Zahl der 
Verkehrsunfälle? usw. usf.
Alle genannten Fragen richten sich auf die tatsächliche Beschaffenheit der Welt, also 
auf reale Sachverhalte bzw. auf Zusammenhänge zwischen realen Sachverhalten. 
Wissenschaften, die sich mit der Beantwortung solcher Fragen befassen, kann man 
als "Erfahrungswissenschaften"   bezeichnen, weil 
hier die intersubjektiv übereinstimmende Erfahrung (Beobachtung, Sinneswahrnehmung) 
das entscheidende Kriterium der Allgemeingültigkeit ist. (Man 
spricht auch von "Realwissenschaften"   und "positiven" bzw. "empirischen Wissenschaften".)
Nicht alle Fragen beziehen sich jedoch auf die Beschaffenheit der Wirklichkeit. 
Eine wichtige Gruppe von Fragen bezieht sich nicht auf das, was ist (bzw. das, 
was war 
oder sein wird), sondern auf das, was sein soll. Wissenschaften, die 
sich um die Beantwortung solcher Fragen bemühen, kann man als "normative Wissenschaften"   bezeichnen. Beispiele 
für normative Fragen wären:
-
Ist gegenwärtig die Senkung der Arbeitslosenrate vorrangig gegenüber der Senkung 
der Inflationsrate?
-
Soll man gegebene Versprechen unter allen Umständen einhalten?
-
Liegt die Vergesellschaftung der Produktionsmittel im allgemeinen Interesse?
-
Soll ich meinen Sommerurlaub in Griechenland oder in Italien verbringen?
-
Ist eine plebiszitäre Demokratie gegenüber einer parlamentarischen Demokratie 
vorzuziehen? usw. usf.
Eine dritte wichtige Gruppe von Fragen neben den empirischen und den normativen 
Fragen sind Fragen nach dem Sinn bzw. der Bedeutung von 
Sprachen, Zeichen, 
Symbolen, Texten, Sprachen, sozialen Bräuchen oder anderem. Man kann solche Fragen als "hermeneutische Fragen"   bezeichnen. Beispiele hierfür sind:
-
Was bedeutet das englische Wort 'mind' im Deutschen?
-
Welchen Sinn haben die Keilschriftzeichen auf dieser Steinplatte?
-
Was meint Hegel mit dem Begriff 'Widerspruch'?
-
Welche Bedeutung haben die Totempfähle der Indianer?
Natürlich ist diese Unterscheidung der Fragen in empirische, normative und 
hermeneutische Fragen keineswegs vollständig und noch recht grob. Ihre 
Unterscheidung rechtfertigt sich daraus, dass jeweils unterschiedliche Methoden 
der Beantwortung und unterschiedliche Kriterien der Allgemeingültigkeit 
heranzuziehen sind. Zur richtigen Beantwortung einer Frage ist es deshalb 
zuerst 
notwendig, sich über ihre Art Klarheit zu verschaffen.
4. Das Intersubjektivitätsprinzip als Bedingung der Argumentation
Das für die wissenschaftliche Erkenntnis grundlegende Intersubjektivitätsprinzip 
kann man in der methodischen Regel ausdrücken: "Suche nach Antworten, denen 
jedermann aufgrund von nachvollziehbaren Argumenten zustimmen kann!"
Dies Prinzip ist insofern 
grundlegend, als es sinnlos wäre, mit jemandem zu argumentieren, dem es gar nicht 
um eine derart bestimmte Allgemeingültigkeit bzw. Intersubjektivität geht. Wenn 
jemand das Ziel der argumentativen Wahrheitssuche nicht akzeptiert, sondern die 
Zustimmung zu seinen Behauptungen mittels Zwang, Betrug, Manipulation, 
Überredung. Bestechung usw. erreichen will, so sind die Voraussetzungen für eine 
erkenntnisorientierte Argumentation 
nicht mehr gegeben. 
Mit der Identifizierung solcher Verfahrensweisen, die die Bedingungen der 
argumentativen Suche nach richtigen Antwort zerstören, hat die Philosophie ihre 
Aufgabe erfüllt. Gegen solche Versuche muss man sich mit anderen Mitteln als Argumenten zur Wehr 
setzen.
In gleicher Weise sinnlos ist eine Argumentation mit Personen, die ihre 
Behauptungen für allgemeingültig erklären, ohne sich verpflichtet 
zu fühlen, diese Behauptungen auch zu begründen. 
Sie fordern 
für ihre Behauptungen allgemeine Geltung, ohne diesen allgemeinen 
Geltungsanspruch auch für jeden Verständigen nachvollziehbar einzulösen. Hier 
handelt es sich nicht um 
Wissenschaft, sondern es handelt sich hier um ein Dogma, einen unbegründeten 
Anspruch auf Glauben und Gehorsam. Derartige dogmatische Positionen sind im 
buchstäblichen Sinne "indiskutabel".
Eine Konsequenz aus der Orientierung an einem allgemeinen Konsens, dem jeder, 
der die Argumente versteht, zwanglos zustimmen kann, besteht darin, dass über die 
Allgemeingültigkeit von Behauptungen immer nur vorläufig aber nie endgültig 
entschieden werden kann. Denn es werden neue Individuen in die 
Argumentation einbezogen und es ist deshalb immer möglich, dass  
neue Argumenten auftauchen, die den Konsens wieder in Frage stellen.
5. Das Gebot der Verständlichkeit
Wenn man nach allgemeiner Gültigkeit im Sinne eines argumentativ herstellbaren 
Konsens strebt, so ist die allgemeine Verständlichkeit der Fragen und 
Antworten dafür eine Vorbedingung. Wo man die Bedeutung der in einer 
Behauptung vorkommenden Worte und Sätze 
nicht - oder nicht im gleichen Sinne - versteht, beruhen Zustimmung und Ablehnung 
zu dieser Behauptung nur auf Missverständnissen.
Hieraus ergibt sich die  
Forderung nach einer möglichst eindeutigen und genauen sprachlichen Formulierung 
des Gemeinten. Ein Mittel hierzu ist die ausdrückliche Definition 
eines 
missverständlichen Wortes. Dadurch soll erreicht werden, dass alle 
Beteiligten mit 
diesem Wort die gleiche Bedeutung verbindet. Im Alltag wird die Gefahr von 
Missverständnissen durch Veränderungen von Tonlage, Lautstärke, Mimik oder 
Gestik sowie durch 
die Einbindung des Textes in einen spezifischen Kontext verringert.
Wenn jemand für seine Behauptungen Allgemeingültigkeit 
beansprucht, ohne sich um die Allgemeinverständlichkeit seiner Behauptungen zu 
bemühen, so disqualifiziert er sich damit selber für eine wissenschaftliche 
Erkenntnis.
6. Das Gebot der logischen Widerspruchsfreiheit
Das Gebot der logischen Widerspruchsfreiheit ergibt sich aus dem Umstand, dass 
widersprüchliche Behauptungen zur Beantwortung von Fragen ungeeignet sind. Wenn 
man z. B. jemanden fragt: "Bist Du heute um 20 Uhr zuhause?"   und der 
Betreffende antwortet: "Um 20 Uhr bin ich zuhause und ich bin nicht zuhause", so ist man genauso schlau 
wie zuvor. Eine logisch widersprüchliche Antwort ist so gut wie keine Antwort. 
Wer nach allgemeingültigen Antworten sucht, muss logische Widersprüche folglich vermeiden.
Allerdings ist es nicht immer leicht, in umfangreichen Theorien implizite logische 
Widersprüche aufzudecken. Hinzu kommt, dass man nur dann die logische Beziehung 
verschiedener Sätze zueinander analysieren kann, wenn eine präzise und 
eindeutige Terminologie benutzt wurde. Dies ist neben der Vermeidung von 
Missverständnissen ein weiterer Grund für die zuvor aufgestellte Forderung nach einer Präzisierung 
der Bedeutung sprachlicher Ausdrücke.
7. Die Forderung nach Bestimmtheit der Antworten
In ähnlicher Weise unbefriedigend wie widersprüchliche Antworten sind 
unbestimmte, informationslose Antworten. Wenn jemand auf die Frage: "Bist Du heute um 20 Uhr 
zuhause?"   antwortet: "Entweder bin ich zuhause oder ich bin nicht zuhause", so 
kann eine solche Aussage zwar nicht falsch sein, da sie alle logisch möglichen 
Fälle zulässt. Dies ist jedoch auch der Grund, warum sie eigentlich gar keine 
Antwort auf die gestellte Frage ist. Man kann mit einer solchen "Antwort" 
kein einziges Problem erfolgreich lösen.
Ein weniger extremes Beispiel für eine mangelnde 
Bestimmtheit der Antwort wäre es, wenn man nach dem 
Porto für einen Brief fragt und die Antwort erhält: "Das kostet 
höchstens 1 €". Diese Antwort ist 
zwar nicht völlig unbestimmt, da sie den Bereich oberhalb von 1 € ausschließt. 
Sie bleibt jedoch relativ unbestimmt, und man wird wahrscheinlich die Frage noch 
einmal erläutern, etwa durch den Satz: "Ich wollte genau wissen, für wie viel 
Cent ich Briefmarken aufkleben muss".
8. Die Leistung der logischen Deduktion bei der Argumentation
Das Kriterium für die Allgemeingültigkeit von Behauptungen war dadurch bestimmt 
worden, dass über sie ein argumentativer Konsens herstellbar ist. Unter 
"Argumenten" sind dabei solche Behauptungen zu verstehen, die die fragliche These 
verteidigen oder angreifen, die also zum Beweis oder zur Widerlegung der These 
geeignet sind.
Dies ist der Fall, wenn die Argumente ihrerseits wahr sind und wenn die 
Argumente in einem logischen Bezug zur strittigen These stehen. Wenn z. B. 
gefragt wird, wer der Dieb eines bestimmten Autos war, und jemand vertritt die 
These, dass Individuum A der Dieb war, so muss er diese These mit Argumenten 
begründen. Ein mögliches Argument wäre die Behauptung, dass sich am Lenkrad des 
Autos Fingerabdrücke befinden, die mit denen von A übereinstimmen. Aus dieser 
Behauptung lässt sich unter Zuhilfenahme weiterer Behauptungen, nämlich dass die 
Fingerabdrücke zweier Individuen niemals völlig übereinstimmen, logisch 
schließen, dass A das Lenkrad angefasst haben muss. 
Das Beispiel verdeutlicht die wichtige Rolle der deduktiven Logik bei der 
Stützung von Behauptungen durch Argumente. Die Begründung verläuft dabei derart, 
dass die strittige Behauptung aus anderen Behauptungen logisch abgeleitet, also 
deduziert wird. 
Die in der deduktiven Logik entwickelten gültigen Schlussweisen sind dabei so beschaffen, 
dass sich beim Übergang von einem Satz auf einen anderen aus wahren 
Voraussetzungen (Prämissen) immer auch wahre Schlussfolgerungen (Konklusionen) 
ergeben. 
Anders ausgedrückt: das logische Schließen bzw. Deduzieren ist ein Verfahren, 
mit dessen Hilfe man von wahren Behauptungen auf dem Wege von Schlussfolgerungen zu 
neuen Behauptungen gelangt, 
die ebenfalls wahr sind.
Auch Gegenargumente können mithilfe des logischen Schließens wirksam werden, 
indem man zeigt, dass sich aus unbestrittenen Prämissen die Verneinung der 
strittigen Behauptung logisch deduzieren lässt. In jedem Falle ist eine präzise 
und 
eindeutige Ausdrucksweise die Voraussetzung für die Anwendung logischer 
Schlussverfahren.
Damit ist jedoch noch nicht das Problem gelöst, wie man die Gültigkeit der 
Prämissen begründen kann. Sucht man nach einer logisch-deduktiven 
Begründung der Prämissen durch ihre Herleitung aus anderen Sätzen, so stellt 
sich das Problem der Begründung bei diesen Sätzen erneut. Damit ergibt sich eine 
Kette von Sätzen ohne 
Ende. 
Logik allein reicht also für die argumentative Begründung von Behauptungen nicht 
aus. 
Damit 
stellt sich die Frage, welche sonstigen Kriterien außer der Logik für eine 
argumentative Einigung über die Beantwortung von Fragen anwendbar sind.
9. Übereinstimmende Wahrnehmung als Kriterium für empirische Behauptungen
Im obigen Beispiel wurde die Behauptung "Am Lenkrad des Autos befinden sich 
Fingerabdrücke, die mit denen von A übereinstimmen"   als richtig vorausgesetzt. 
Über diese empirische Behauptung ist ein Konsens insofern herstellbar,  als 
sich im Prinzip jedermann mit seinen eigenen Augen davon überzeugen kann.
In diesem Fall schafft also die intersubjektiv übereinstimmende Wahrnehmung der 
Individuen die Berechtigung, dieser empirischen 
Behauptung Allgemeingültigkeit zuzuschreiben.
Allerdings sind auch die Sinneswahrnehmungen der Individuen kein 
unbezweifelbares Fundament des empirischen Wissens. Wie jeder weiß, der einmal 
die Schilderung eines Verkehrsunfalls durch mehrere Augenzeugen miteinander 
verglichen hat, können die subjektiven Wahrnehmungen auch fehlerhaft sein. 
Ursachen hierfür sind u. a. Unaufmerksamkeit, selektive Wahrnehmung, Sehfehler, 
optische Täuschung, perspektivische Verzerrung, Gedächtnislücken oder 
Beeinflussung durch andere. 
So wird ein ungeübter Laie z. B. bei der Bestimmung 
der Identität von Fingerabdrücken häufiger Fehler machen als ein geübter 
Kriminologe. Zur Ausscheidung unqualifizierter und fehlerhafter subjektiver 
Wahrnehmungen sind deshalb auch eine Vielzahl von Techniken und 
methodischen Hilfsmitteln 
entwickelt worden. Zu nennen wäre hier etwa die Lenkung der Aufmerksamkeit durch 
standardisierte Beobachtungsraster, die mehrfache Wiederholung der Beobachtung, 
der Einsatz von Aufzeichnungs- und Wiedergabegeräten, der Einsatz von 
Vergrößerungs- bzw. Verstärkungsgeräten sowie der Einsatz spezieller Messgeräte.
Trotz des Einsatzes solcher Hilfsmittel muss immer der problematische Schritt 
vollzogen werden von einer Wiedergabe der subjektiven Wahrnehmung wie: "Ich sehe keinen Unterschied zwischen beiden Fingerabdrücken"   zu der 
'objektiven' Behauptung: "Es besteht kein Unterschied zwischen beiden 
Fingerabdrücken". Man kann einem andern Individuum nicht logisch zwingend beweisen, dass 
die Fingerabdrücke identisch sind. Die Gültigkeit empirischer Behauptungen oder, 
wie man auch sagen kann, die Wahrheit von positiven Aussagen ist auf dem problematischen 
Fundament einer unbegrenzten Zahl individueller Wahrnehmungen aufgebaut, deren 
Fehlerlosigkeit und Übereinstimmung nicht von vornherein garantiert ist, sondern 
immer erst herzustellen ist.
10. Die Überprüfung verschiedener Typen von Aussagen
Je nach der Art der Fragestellung ergeben sich dabei unterschiedliche 
Möglichkeiten einer Überprüfung an der Erfahrung. Wenn z. B. die Frage gestellt 
wird, wie viele Personen hier und jetzt im Raum sind, und jemand antwortet mit 
der empirischen Behauptung: "Es befinden sich jetzt 15 Personen hier im Raum", 
so kann diese Behauptung direkt von jedem Anwesenden anhand eigener Beobachtung 
überprüft werden.
Schwieriger wird das Problem schon, wenn man wissen will, wie viele Personen vor 
genau einer Woche in diesem Raum waren. Da vergangene Ereignisse einer 
gegenwärtigen Beobachtung unzugänglich sind, muss man sich auf die Erinnerung 
von Augenzeugen verlassen, wodurch zusätzliche Fehlermöglichkeiten auftauchen. 
Allerdings kann Gedächtnismängeln durch methodische Techniken - wie z. B. die Anfertigung von Protokollen 
- 
entgegengewirkt werden, in denen die Wahrnehmungen festgehalten 
werden.
Um die Wahrheit von Behauptungen über vergangene Ereignisse festzustellen, kann 
man außerdem überprüfen, ob sie mit Behauptungen über gegenwärtig beobachtbare 
Sachverhalte und dem bereits vorhandenen Wissen auf diesem Gebiet logisch 
vereinbar sind. Beim obigen Beispiel des Autodiebstahls wurde z. B. auch ohne 
Augenzeugen ein vergangenes Ereignis mittels 'Indizien' rekonstruiert. 
Allerdings tauchen bei der Argumentation ganz verschiedene Arten von 
empirischen Aussagen 
auf. Im einen Fall handelt es sich um die Behauptung eines einzelnen, 
raum-zeitlich bestimmten Tatbestands: "An diesem Lenkrad befindet sich ein 
Fingerabdruck, der mit dem von A übereinstimmt". Solche Aussagen nennt man "singuläre Aussagen". 
Demgegenüber ist die Aussage: "Jeder Mensch hat einen Fingerabdruck mit 
einmaliger Form"   nicht auf einen einzelnen Sachverhalt bezogen, sondern bezieht 
sich auf alle Menschen, ohne raum-zeitliche Einschränkung. Solche Aussagen nennt man "All-Aussagen".
Solche All-Aussagen spielen  eine zentrale Rolle bei Fragen, die sich auf 
zukünftige Ereignisse beziehen. Diese lassen sich ja gegenwärtig nicht 
beobachten und für sie kann es auch keine Augenzeugen geben. Wie kann man nun 
trotzdem Fragen über das, was zukünftig sein wird, beantworten und diese 
Antworten auf ihre Wahrheit überprüfen? Zukünftige Ereignisse kann man 
vorhersagen, wenn man einerseits die gegenwärtig existierenden 
Ausgangsbedingungen kennt, die der Beobachtung zugänglich sind, und wenn man 
außerdem Wissen in Form von All-Aussagen besitzt, die über die regelmäßig 
eintretenden Folgewirkungen dieser Ausgangsbedingungen informieren. 
Wenn ich etwa wissen will, wann morgen in Berlin die Sonne aufgehen wird, so 
kann ich diese Frage beantworten, wenn ich zum einen die Ausgangsbedingungen 
kenne, also Masse, Position, Richtung, Geschwindigkeit, Neigung der 
Rotationsachse und Rotationsschnelligkeit von Sonne und Erde, und wenn ich 
außerdem allgemeine Gesetzmäßigkeiten der Mechanik kenne wie die Gesetze über 
die Gravitation etc. sowie Naturkonstanten wie die Lichtgeschwindigkeit weiß.
                                                                                   
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11. Die Überprüfung von All-Aussagen
Aus den Ausführungen wird deutlich, dass All-Aussagen sowohl bei Fragen 
hinsichtlich vergangener als auch hinsichtlich zukünftiger Ereignisse eine 
wichtige Rolle spielen. Die Suche nach solchen regelmäßigen Zusammenhängen 
zwischen realen Phänomenen nimmt in den Erfahrungswissenschaften deshalb einen 
breiten Raum ein. Wie kann man solche All-Aussagen auf ihre Wahrheit überprüfen? 
Die All-Aussage: "Wenn man Wasser auf 100° Celsius erhitzt, dann beginnt es zu 
kochen"   mag sich in der Vergangenheit immer als richtig herausgestellt haben. 
Ich kann jedoch nicht aufgrund von Erfahrung wissen, ob dies auch in Zukunft der 
Fall sein wird. Ich kann auch nicht logisch-deduktiv von den bisher beobachteten 
Fällen auf die Gesamtheit aller Fälle schließen, denn ein solcher induktiver 
Schluss kann trotz wahrer Prämissen zu einer falschen Schlussfolgerung führen. 
All-Aussagen lassen sich also nicht verifizieren, sondern können höchstens 
zunehmend besser bestätigt werden. Sie behalten deshalb immer einen 
hypothetischen Charakter. 
Allerdings kann man solche All-Aussagen anhand der Erfahrung widerlegen bzw. 
falsifizieren. Es genügt streng genommen die Existenz eines einzigen Falls, der dem All-Satz 
nicht entspricht, um diesen zu widerlegen. Wenn bei einem entsprechendn Versuch 
das Wasser nicht kocht, wenn also die Konklusion "Das Wasser kocht"   falsch ist, so muss zumindest eine der Prämissen falsch sein: 
Entweder hatte das Wasser gar nicht  
100° Celsius, oder es befand sich nicht Wasser sondern eine andere durchsichtige 
Flüssigkeit im Gefäß oder aber das Gesetz: "Wenn man Wasser auf 100° 
Celsius erhitzt, beginnt es zu kochen"   ist falsch. All-Aussagen können also 
falsifiziert werden, wenn bei Vorliegen der Randbedingung das aus der 
Gesetzmäßigkeit logisch ableitbare 
Ereignis nicht eintritt.
                                                                                   
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12. Die Überprüfung von Existenz-Aussagen
Auf eine weitere Art von Fragen, die sich auf die raum-zeitlich nicht bestimmte 
Existenz von Sachverhalten beziehen, soll in diesem Zusammenhang noch 
eingegangen werden. Ein Beispiel hierfür ist die Frage: "Gibt es Gesellschaften 
ohne Herrschaft?"   
Wenn jemand hierauf mit der positiven Existenz-Aussage antwortet: "Es gibt 
Gesellschaften ohne Herrschaft", so kann man diese Behauptung dadurch an der. 
Erfahrung verifizieren, dass man eine entsprechende Gesellschaft entdeckt. 
Allerdings lässt sich eine positive Existenzaussage nicht anhand der Erfahrung 
falsifizieren. Denn gegenüber noch so vielen Beispielen von Gesellschaften, in 
denen Herrschaft ausgeübt wird, kann man immer sagen: "Vielleicht findet man 
woanders oder zukünftig eine Gesellschaft ohne Herrschaft."   (Aus diesem Grunde 
sind auch zeitlich unbestimmte Aussagen wie: "Der Messias wird kommen"   nicht 
widerlegbar, denn einem Ungläubigen  kann immer entgegnet werden: "Warte nur ab!"  )
Umgekehrt sind negative Existenzaussagen wie: "Es gibt keine Gesellschaft ohne 
Herrschaft"   anhand der Erfahrung widerlegbar, falls doch eine solche 
Gesellschaft entdeckt wird. Negative Existenzaussagen sind jedoch nicht 
verifizierbar, sondern können höchstens bestätigt werden. Denn u. U. findet man 
irgendwann und irgendwo  
doch noch eine Gesellschaft ohne Herrschaft.
                                                                                   
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13. Hypothetische Konstrukte und ihre Operationalisierung
Oben war ausgeführt worden, dass ein Konsens über die Beschaffenheit der 
Realität aufgrund einer Übereinstimmung der subjektiven Wahrnehmungen möglich 
ist. Ein Problem ergibt sich nun daraus, dass sich viele Behauptungen über die 
Realität gar nicht unmittelbar auf beobachtbare Sachverhalte beziehen. Ein 
Beispiel ist die Aussage: "Individuum A ist intelligenter als Individuum B."   Mit 
Hilfe bloßer Wahrnehmung lässt sich zwischen verschiedenen Individuen sicherlich 
kein Konsens über diese Behauptung herstellen. Dies wäre bei der 
Aussage: "A ist größer als B"   schon eher der Fall. 
Im Unterschied zur  Körpergröße ist  Intelligenz keine direkt beobachtbare 
Eigenschaft. Man nennt solche nicht direkt wahrnehmbare aber als vorhanden 
angenommene Elemente einer Theorie auch 
'hypothetische Konstrukte'. 
Wie kann man nun empirische Behauptungen, in denen hypothetische Konstrukte 
vorkommen, auf ihre Wahrheit überprüfen?
Die Möglichkeit eines kontrollierten Gebrauchs des Konstrukts "Intelligenz"   
ergibt sich daraus, dass es beobachtbare Sachverhalte - 'Indikatoren' - gibt, die 
ihrerseits den Intelligenzgrad einer Person anzeigen. Man sieht etwa, wie 
schnell jemand eine neue Sprache oder ein neues Spiel erlernt, wie logisch er 
argumentiert, wie er Schach spielt, wie schnell er den Defekt einer Maschine 
findet usw. und schätzt dementsprechend den Grad seiner Intelligenz ein. 
Um 
jedoch zu einem präzisen Gebrauch des Terminus "Intelligenz"   zu kommen, ist es 
notwendig, genau festzulegen, welche Sachverhalte als Indikatoren für 
Intelligenz herangezogen werden sollen und wie diese verschiedenen Sachverhalte 
zu einem Index bzw. einer Skala für Intelligenz zusammengefasst werden sollen. Nur 
dann kann man eindeutige und präzise Aussagen über den Intelligenzgrad 
verschiedener Personen machen. 
Ein derart entwickelter Intelligenztest stellt 
eine 'operationale Definition' des hypothetischen Konstrukts 'Intelligenz' dar. 
In ihm werden diejenigen 'Operationen' beschrieben, die zur Messung der 
Intelligenz einer Person erforderlich sind.
                                                                                   
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14. Die Validität operationaler Definitionen
Allerdings sind  Operationalisierungen theoretischer Konstrukte nicht 
unproblematisch, wie man z. B. an den Auseinandersetzungen um die Aussagekraft 
von Intelligenztests ersehen kann. Man kann z. B. in Frage stellen, ob man mit 
den ausgesuchten Indikatoren tatsächlich das erfasst, was üblicherweise mit dem 
Wort 'Intelligenz' gemeint ist. Ein Test mag ein präzises und zuverlässiges 
Messinstrument sein, aber trotzdem kann die Validität des Testes nicht gegeben 
sein, d. h. dass die Operationalisierung gar nicht das erfasst, was man damit 
erfassen wollte. Dies wäre etwa der Fall, wenn ein Intelligenztest gar nicht 
 
Intelligenz misst, sondern z. B.  Wissen.
Wenn zwei Wissenschaftler mit dem Begriff "Intelligenz"   unterschiedliche 
Bedeutungen verbinden, dementsprechend unterschiedliche Intelligenztests 
entwickeln und unterschiedliche Intelligenzwerte herausbekommen, so handelt sich um einen Streit um Worte, den man leicht dadurch 
auflösen kann, dass man zwei verschiedene Intelligenzbegriffe einführt, indem 
man z. B. von 'kreativer Intelligenz' im Unterschied zu 'analytischer 
Intelligenz' spricht. Grundsätzlich kann man die Bedeutung von Wörtern durch Konvention 
festlegen.
Dies geht jedoch nicht mehr, wenn man durch Operationalisierung 
einen Begriff 
erfassen will, der auch in vielfältigen anderen Beziehungen verwandt wird. Dann 
muss ich die Operationalisierung so vornehmen, dass ich anstelle des Konstruktes 
jederzeit die Operationalisierung einsetzen kann, ohne dass bisher als wahr 
angesehene Behauptungen dadurch falsch werden. 
Wenn man z. B. von der Richtigkeit der Behauptung ausgehen kann, dass 
Wissenschaftler in der Regel intelligenter sind als der 
Bevölkerungsdurchschnitt, so muss auch ein valider Intelligenztest ein solches 
Ergebnis erbringen.
Ein anderer  - wenn auch nicht ganz unproblematischer - Zusammenhang, in dem der 
Begriff 'Intelligenz' verwendet wird, wäre der Satz: "Je intelligenter ein 
Schüler ist, desto  erfolgreicher wird er ein Gymnasium absolvieren". Wenn 
man nun vor Eintritt der Schüler in die Schule ihren Intelligenzgrad testet, so 
muss man prognostizieren können: "Schüler mit einem hohen Testergebnis werden 
das Gymnasium erfolgreicher absolvieren als Schüler mit einem niedrigen 
Testergebnis."   Falls dies Ergebnis nicht eintritt, wäre die 
prognostische 
Validität des Testes problematisch.
Die Brauchbarkeit eines Begriffs und damit auch die Brauchbarkeit einer 
Operationalisierung hängt also davon ab, ob. sich mit seiner Hilfe die jeweils 
gestellten Fragen richtig beantworten lassen. Oder anders ausgedrückt: 
Die 
Brauchbarkeit eines Begriffs für den Erkenntnisprozess hängt davon ab, ob sich 
damit wahre und relevante Aussagen machen lassen.
                                                                                   
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Im Zusammenhang mit der Beantwortung von Fragen in Bezug auf zukünftige 
Ereignisse war oben ausgeführt worden, dass man dazu All-Aussagen der Form "Immer wenn A gegeben ist, dann tritt B ein"   benötigt. Solche Aussagen erlauben 
den Schluss von gegenwärtigen Gegebenheiten (A) auf zu erwartende Ereignisse 
(B).
Häufig stellt sich das Problem auch anders herum. Man wünscht das Eintreten 
eines bestimmten Zustandes und fragt nach Mitteln zur Erreichung dieses 
Zustandes. Auch in diesem Fall benötige ich eine Aussage von der Form "Wenn A, 
dann B", wo A das Mittel für das Ziel B ist.
Angenommen, man möchte vermeiden, dass Schüler wegen schlechter Leistungen 
ohne Abschluss das Gymnasium verlassen. Man fragt deshalb nach den Ursachen für 
die schlechten schulischen Leistungen der Schüler, d. h. man sucht nach einer 
Aussage von der Form: "Immer wenn einem Schüler das Merkmal x zukommt, dann hat 
er schlechte Leistungen."   Das Merkmal x wäre eine hinreichende Bedingung für das 
Auftreten schlechter schulischer Leistungen.
Nun wird man aber vergeblich nach dem Auftreten eines solchen Merkmals suchen. 
Ob man die Faktoren "geringer Intelligenzgrad", "Konflikte mit Eltern und 
Lehrern", "Fehlen von Nachhilfeunterricht"   oder "Schichtzugehörigkeit der 
Eltern"   untersucht, immer wird man auf Schüler treffen, bei denen das Merkmal 
vorliegt und die trotzdem das Gymnasium erfolgreich abschließen. Muss 
man nun deshalb die Frage nach den Ursachen schlechter schulischer Leistungen 
unbeantwortet lassen und kann man folglich gar nichts tun, um die Häufigkeit des Abbruchs der 
Schulausbildung zu verringern?
Resignation ist in diesem Fall unangebracht. Wenn die Behauptung 
richtig ist, dass bei Schülern mit niedrigerem Intelligenzgrad der Anteil der 
Schulabbrecher höher liegt als bei Schülern mit hohem Intelligenzgrad, so kann 
man durch eine entsprechende Vorauswahl der Schüler die Zahl der Schulabbrecher 
zumindest senken, wenn auch nicht ganz vermeiden. Der Zusammenhang zwischen den 
Phänomenen "Intelligenzgrad"   und "Schulabbruch"   ist in diesem Fall nicht 
'deterministisch' sondern nur 'probabilistisch' oder - wie man auch sagt - 
'statistisch': Bei einem Schüler mit hohem Intelligenzgrad ist die 
Wahrscheinlichkeit des Schulabbruchs geringer als bei einem Schüler mit 
niedrigem Intelligenzgrad. Die Stärke und Richtung eines solchen Zusammenhangs 
kann man durch statistische Maßzahlen, die Korrelations- oder 
Kontingenzkoeffizienten erfassen.
16. Die statistische Prüfung von Hypothesen
Wie kann man nun die statistische Aussage: "Intelligentere Schüler brechen 
weniger häufig ihre Schulausbildung ab als weniger intelligente Schüler"   an der 
Erfahrung überprüfen? Eine solche Fragestellung gehört in den Bereich der 
Prüfstatistik, die auch 'schließende Statistik' genannt wird. Dort sind 
Verfahren entwickelt worden, mit deren Hilfe sich z. B. entscheiden lässt, ob der Unterschied zwischen zwei 
Werten für die Häufigkeit eines Merkmals als "signifikant"   anzusehen ist, oder ob dieser Unterschied ebenso gut 
zufällig sein kann. 
Die theoretischen Grundlagen hierfür finden sich in der 
Theorie der Zufallsstichprobe.
Angenommen man hat eine Urne mit einer Grundgesamtheit von 1000 Kugeln. 200 
Kugeln sind weiß, die andern schwarz. Wenn man nun alle theoretisch möglichen 
Stichproben mit einem Umfang von 50 Kugeln ermittelt, so ergibt sich, dass bei 
den meisten Stichproben der Prozentsatz der weißen Kugeln relativ nahe bei dem 
Wert der Grundgesamtheit, also bei 20% liegt. 
Natürlich sind auch Stichproben möglich, in denen nur weiße oder überhaupt keine 
weißen Kugeln vorkommen, aber solche Stichproben sind äußerst selten. 
Mit Hilfe bestimmter Axiome und Formeln kann man die Wahrscheinlichkeit dafür errechnen, dass der 
Anteil weißer Kugeln in einer nach dem Zufallsprinzip gezogenen Stichprobe bestimmter Größe um nicht mehr als 
einen bestimmten Wert - z. B. 2% - von dem Anteil weißer Kugeln in der Grundgesamtheit 
abweicht. 
Voraussetzung für die gesamte Argumentation ist dabei, dass die Kugeln "zufällig"   (englisch: at random) gezogen werden, so dass für jede Kugel die Wahrscheinlichkeit gleich 
groß ist, gezogen zu werden und in die Stichprobe zu gelangen. Es muss sich 
also um eine Zufallsstichprobe handeln.
Umgekehrt lässt sich aufgrund der Häufigkeit weißer Kugeln in einer Stichprobe 
auch die Häufigkeit weißer Kugeln in der Grundgesamtheit, also der Urne 
abschätzen. Man kann dazu Aussagen machen wie: "Mit einer 
Irrtumswahrscheinlichkeit von 5% kann man annehmen, dass der Prozentsatz weißer 
Kugeln in der Grundgesamtheit um weniger als 2% von dem Prozentsatz 
weißer Kugeln in der Stichprobe abweicht".
Die Stichprobentheorie ermöglicht nun auch die Antwort auf die Frage, ob sich 
zwei Grundgesamtheiten (z. B. zwei Urnen mit weißen und schwarzen Kugeln) in 
Bezug auf ein bestimmtes Merkmal (z. B. den Anteil weißer Kugeln) unterscheiden.
Dazu zieht man aus jeder Urne eine genügend große Zufallsstichprobe und ermittelt für beide Stichproben die Häufigkeit der weißen Kugeln. 
Nehmen wir an, der Anteil weißer Kugeln an der Stichprobe aus der Urne 1 beträgt 
20% und der Anteil weißer Kugeln an der Stichprobe aus der Urne 2 beträgt 27%.
Nun stellt man die Frage, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass die beiden 
Stichproben aus Urnen mit einem gleich großen Anteil weißer Kugeln entstammen.
Um diese Frage zu beantworten frage ich: "Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, 
bei zwei Stichproben aus derselben Grundgesamtheit eine ebenso große (oder 
größere) Differenz der Häufigkeiten als die in unserem Beispiel ermittelten 7% 
vorzufinden. 
Wenn diese Wahrscheinlichkeit sehr gering ist, z. B. kleiner als 5%, so ist die 
Annahme sehr unwahrscheinlich, dass in beiden Urnen der Anteil weißer Kugeln 
gleich groß ist. Die Differenz der Prozentsätze weißer Kugeln in den Stichproben 
ist dann "statistisch signifikant"   und lässt bei einer 
Irrtumswahrscheinlichkeit von 5% den 
Schluss zu, dass die Häufigkeit weißer Kugeln in Urne 2 größer ist als in Urne 
1.
Zum Abschluss sei betont, dass man selbst bei einer starken und hoch 
signifikanten Korrelation zwischen zwei Faktoren noch nicht auf eine bestimmte 
kausale Abhängigkeit zwischen den beiden Faktoren schließen darf. Hierzu bedarf 
es einer theoretischen Interpretation der Daten.
***
Siehe auch 
die folgenden thematisch verwandten Texte in der Ethik-Werkstatt:
    
Methodologie der 
empirischen Politikwissenschaft
   
Allgemeine Methodologie der Wissenschaftt
    
Erkenntnistheorie zwischen Psychologie und Methodologie ** (23 K)
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Letzte Bearbeitung 26.04.2008 / Eberhard Wesche
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