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Allgemeine Methodologie der Wissenschaft
 Inhalt: 
Was ist mit "Wissenschaft"hier gemeint?
Was ist mit "Allgemeing�ltigkeit" gemeint?
Die Begr�ndung des Intersubjektivit�tsprinzips
Pseudo-Argumentationen
Die Forderung nach logischer Widerspruchsfreiheit
Das Bem�hen um allgemeine Verst�ndlichkeit
Die Festlegung von Wortbedeutungen: Definitionen
Die wichtigsten Arten von Behauptungen
Textanfang
Was ist mit  
"Wissenschaft"gemeint? 
 
Im folgenden Text sollen die grundlegenden Methoden der Wissenschaft dargestellt und 
er�rtert werden. Unter "Wissenschaft" soll dabei 
das Bem�hen um Erkenntnis und Wissen verstanden werden mit dem Ziel einer allgemeing�ltigen 
Beantwortung allgemein interessierender Fragen. 
Der Begriff 
"Wissenschaft" wird damit weiter gefasst als �blich. Nach dem vorherrschenden 
Verständnis beschr�nkt sich Wissenschaft ("science") auf die Erforschung 
dessen, was ist. Das bedeutet, dass von der Wissenschaft nur Fragen 
hinsichtlich der Beschaffenheit der gegebenen Wirklichkeit 
bearbeitet werden, also Fragen wie: "Ist es?", "Wie ist es?", "Warum ist es?", 
"Wie wird es sein?", "Wie ist es gewesen?". "Wissenschaft" wird nach diesem Verständnis gleichgesetzt mit 
"Realwissenschaft" bzw. "Erfahrungswissenschaft". 
Ein solches, vom Positivismus gepr�gtes Verständnis von Wissenschaft, f�hrt dazu, dass moralische, rechtliche und 
politische Fragen nach dem, was sein soll, aus dem Bereich der Wissenschaft herausdefiniert werden. Die Ergebnisse der Wissenschaft 
d�rfen nach diesem Verständnis keine Werturteile oder Handlungsanweisungen enthalten.
Demgegenüber werden bei der hier gew�hlten, weiteren Fassung des Begriffs "Wissenschaft" nicht von vornherein  
wichtige Fragestellungen ausgeschlossen. Wissenschaft 
ist überall dort zust�ndig, wo Fragen gestellt werden und man die Antwort wissen will. 
Ob dieser relativ weite Begriff von "Wissenschaft" brauchbar ist oder nicht, 
muss sich daran entscheiden, ob die Beantwortung der unterschiedlichen Arten von Fragen gen�gend Gemeinsamkeiten enth�lt, um das Ganze unter dem 
Oberbegriff 
"Wissenschaft" abzuhandeln.
Was ist mit "Allgemeing�ltigkeit" gemeint?
Wenn im Vorangegangenen als Grundregel 
wissenschaftlicher Methodologie das Bem�hen um einen argumentativen Konsens 
hinsichtlich der aufgestellten Behauptungen formuliert wurde, so stellt sich die 
Frage, ob - und wenn ja wie - sich dies Intersubjektivit�tsprinzip begr�nden 
lässt. Jemand k�nnte kritisch einwenden, das bisher Gesagte sei nicht mehr als eine Reihe von 
eigenwilligen Definitionen, denn schlie�lich k�nne man Wissenschaft auch ganz anders 
definieren. 
Richtig an dieser Kritik ist, dass es dem Wissenschaftler 
erst einmal freistehen muss, die für die Beantwortung seiner Fragen ben�tigten 
Begriffe zu bilden und entsprechend zu definieren. Man muss sich dabei 
allerdings über die Konsequenzen klar sein, die mit einer Nichtbeachtung oder Ablehnung des 
Intersubjektivit�tsprinzips verbunden sind. 
Wenn sich 
ein Teilnehmer der Argumentation nicht auf das Ziel eines zwanglosen, auf einsichtigen 
Argumenten beruhenden allgemeinen Konsens festlegen lässt, er aber gleichwohl an 
dem Anspruch auf allgemeine Bejahung der von ihm vertretenen Behauptungen 
festh�lt, dann nenne ich diese Position "dogmatisch". bezeichnen. Ein 
Dogmatiker, der Behauptungen aufstellt, ohne sie zugleich mit nachvollziehbaren 
Argumenten zu begr�nden, 
beh�lt sich damit auch Formen nicht-argumentativer Beeinflussung 
der anderen vor - bis hin zu 
verdeckten Drohungen oder 
L�gen. 
Dadurch wird jedoch einer rationalen Argumentation 
die Grundlage entzogen, denn gegen Drohungen oder L�gen kann man nicht 
argumentieren. Die Methodologie der Wissenschaft kann sie nur als 
unwissenschaftlich kenntlich machen. Damit ist die 
Aufgabe der Methodologie aber erf�llt.
Wenn es einem Teilnehmer an einer Argumentation gar nicht um eine allgemeing�ltige Antwort im 
obigen Sinne geht, ist eine Argumentation mit ihm sinnlos. Die von ihm 
gegebenen, nicht 
nachvollziehbaren Begr�ndungen für die von ihm vertretenen Behauptungen lassen 
sich nicht widerlegen. Seine Position ist damit buchst�blich "indiskutabel". 
Gegenüber jemandem, dem es gar 
nicht um einen intersubjektiv nachvollziehbaren argumentativen Konsens aller 
Verst�ndigen geht, ist eine Begr�ndung zwar unm�glich, 
aber zugleich auch unn�tig, denn er scheidet als Teilnehmer einer rationalen Argumentation 
aus. 
Wenn die Wissenschaft nach 
Antworten sucht, denen jedermann allein aufgrund von Argumenten zustimmen kann, 
so werden bestimmte Argumentationsstrategien von vornherein unzul�ssig, weil sie mit dem Ziel 
der Wissenschaft unvereinbar sind. 
So ist etwa die 
Kritik an einem Argument durch eine 
Die Forderung nach logischer Widerspruchsfreiheit
Eine grundlegende methodische Regel der Wissenschaft ist die Forderung nach logischer Widerspruchsfreiheit.
Eine Behauptung und die Verneinung dieser Behauptung können nicht zugleich allgemeing�ltig sein. Mit jemandem zu argumentieren, der diese Regel nicht akzeptiert, ist sinnlos, weil er das Ziel der Argumentation nicht teilt. Wenn eine Antwort gegeben wird, die in sich widersprüchlich ist, so ist die Wirkung die gleiche, als wenn überhaupt keine Antwort gegeben worden wäre. Ein krasses Beispiel mag dies verdeutlichen. Wenn man z. B. jemanden fragt: "Bist Du heute um 20 Uhr zuhause?" und er antwortet: "Um 20 Uhr bin ich zuhause und ich bin um 20 Uhr nicht zuhause", so bleibt die Frage weiterhin offen.Die Schlussregeln der formalen Logik sind so beschaffen, dass mit ihrer Hilfe
aus allgemeing�ltigen Pr�missen der in den Behauptungen implizit enthaltene Bedeutungsgehalt erschlossen werden kann. Dabei kommt kein neuer Bedeutungsgehalt hinzu, denn die logischen Schlussregeln erm�glichen nur die bedeutungsgleiche (tautologische) Umformung der Voraussetzungen (Pr�missen) in Schlussfolgerungen (Konklusionen).Das Bem�hen um allgemeine Verst�ndlichkeit
Wissenschaft findet im Medium der Sprache 
statt. Sie ist immer ein sprachlicher Kommunikationsprozess zwischen 
verschiedenen Individuen. Dabei kann es zu MissVerständnissen in Bezug auf das mit den 
Worten Gemeinte kommen. Damit ist die intersubjektive 
Nachvollziehbarkeit der Argumente nicht mehr gegeben. 
Wenn z. B. zwei Personen mit demselben Satz 
zwei unterschiedliche Bedeutungen verbinden, können beide recht haben, obwohl 
der eine den Satz behauptet und der andere ihn bestreitet. Der Streit ist dann 
offensichtlich sinnlos, weil die beiden aneinander vorbeireden und ihnen nicht 
bewusst ist, dass sie Antworten auf zwei 
unterschiedliche Fragen suchen. So ist z. B. der Streit darüber, ob die 
Bundesrepublik Deutschland ein 
demokratischer Staat ist, solange fruchtlos, wie nicht gekl�rt ist, was 
unter dem Attribut "demokratisch" verstanden werden soll. 
Die 
Umgangssprache steckt voller Vagheiten und Mehrdeutigkeiten, die sich sich nur 
im jeweiligen Kontext ihres Gebrauchs klären. Deshalb ist es mit dem 
Ziel der Wissenschaft unvereinbar ist, einfach "drauflos" zu sprechen, ohne 
sich zu vergewissern, ob die Bedeutungen, die die Beteiligten mit den benutzten W�rtern 
verbinden, intersubjektiv übereinstimmen. 
Unklar formulierte 
Behauptungen 
behindern au�erdem die Kritik. Jegliche Kritik an einer unklar formulierten 
Position kann mit dem Hinweis zur�ckgewiesen werden, dass der Kritiker die 
Position gar nicht richtig verstanden habe. Wie man sieht, ist eine Immunisierung 
von Behauptungen gegen Kritik mit dem Ziel der Wissenschaft, dem argumentativen 
Konsens, nicht vereinbar.
 
Das entscheidende Mittel, um sich intersubjektiv 
verst�ndlich zu machen, ist die n�here 
Erl�uterung des Gemeinten durch die ausdr�ckliche Festlegung der Bedeutung  
benutzter Begriffe, also durch eine Definition. 
So definiert z. B. Max Weber: "Unter 'Macht' wollen wir � die Chance eines 
Menschen oder einer Mehrzahl solcher verstehen, den eigenen Willen in einem 
Gemeinschaftshandeln gegen den Widerstand anderer daran Beteiligter 
durchzusetzen."  
Solche Definitionen stellen offensichtlich keine 
Behauptungen auf, über deren Allgemeing�ltigkeit man sinnvoll streiten k�nnte, sondern sie 
legen fest, welche Bedeutung der betreffende Autor mit einem von ihm 
verwendeten Begriff verbinden will. "Nominaldefinitionen", wie man 
derartige 
verbale 
Bedeutungsfestlegungen nennt, erzeugen 
ein begriffliches Instrumentarium, eine Terminologie, zur Beantwortung der gestellten Fragen. 
Entscheidend ist, ob die definierten Termini zur Beantwortung der gestellten 
Fragen geeignet sind.
 
Eine Vorbedingung dafür ist allerdings, dass die Begriffe, die zur Bestimmung des zu definierenden Begriffs herangezogen 
werden, ihrerseits verst�ndlich sind bzw.  
verst�ndlich gemacht werden können. Unter Umst�nden sind l�ngere 
Definitionsketten erforderlich, um einen einzigen Begriff zu bestimmen. 
In der Regel kann durch solche Definitionen zumindest soviel intersubjektive 
übereinstimmung geschaffen werden, wie für die Formulierung und Beantwortung der 
jeweiligen Fragestellung erforderlich ist. 
Wenn Definitionen nicht 
ausdr�cklich als solche kenntlich gemacht werden, besteht zum einen die Gefahr, 
dass Definitionen und Behauptungen miteinander vermengt werden und ein 
unkontrollierter übergang von der Definition zur Behauptung erfolgt. Zum andern 
vergr��ert sich die Gefahr inhaltsleerer zirkelhafter Definitionen.
Durch die Bedeutungsfestlegung in Form einer 
Definition wird ausgeschlossen, dass dasselbe Wort mit unterschiedlichen 
Bedeutungen verwendet wird. Dies ist eine Voraussetzung für die Anwendung der 
Logik. Nur wenn gilt: "a = a", gelten auch die Schlussregeln der Logik.
 
Definitionen haben schlie�lich den Vorzug, dass sie abgek�rzte Formulierungen 
erm�glichen. 
Andererseits ist mit dem Erlernen einer neuen Terminologie 
immer ein gewisser Aufwand verbunden. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, mit der Einf�hrung neuer Begriffe 
sparsam umzugehen und � wenn m�glich � an die bisherigen Bedeutungen 
anzuschlie�en. Die Einf�hrung neuer Begriffe lässt sich nur durch deren 
theoretische Fruchtbarkeit, durch ihre Eignung zur Formulierung neuer Erkenntnisse 
rechtfertigen.
Die Forderung nach Genauigkeit und Klarheit der Begriffe 
bedarf einer Einschr�nkung, denn es gibt Phasen in einem Forschungsprozess, in 
denen Neuland betreten wird, über das man nichts Sicheres wei�. Hier f�llt schon 
die Formulierung der Fragen schwer, man kann nur mit vorl�ufigen Hypothesen 
arbeiten und muss mit dem überkommenen Vokabular eine bis dahin unbekannte Welt 
analysieren. In solchen Phasen der Forschung lässt es sich nicht vermeiden, dass 
die Begriffe unscharf und vorl�ufig sind. 
Die wichtigsten Arten von Behauptungen
Wissenschaftliche Texte stellen meist eine 
komplizierte Verbindung verschiedener Arten von Sätzen dar. Neben den 
Behauptungen, die die Ergebnisse der Untersuchungen enthalten, finden sich meist 
auch Er�rterungen der Relevanz der Untersuchungen, Erl�uterungen und 
Pr�zisierungen der Fragestellung, logische und mathematische Umformungen von 
Sätzen und Daten oder Beschreibungen und Begr�ndungen des methodischen 
Vorgehens. Aus diesem Grund ist es gerade bei sozialwissenschaftlichen Texten 
manchmal schwierig, den Kern der aufgestellten Behauptungen 
herauszudestillieren, die verschiedenen Arten von Behauptungen zu klären, um 
dann die Behauptungen auf ihre argumentative Konsensf�higkeit pr�fen zu können. 
Folgende Hauptgruppen von Behauptungen lassen sich dabei unterscheiden: 
1. Behauptungen, die beinhalten, wie die Welt beschaffen ist (positive 
Behauptungen, Aussagen).
Ein Beispiel hierfür ist der Satz. "Im Jahr 2011 
hat die Bundesrepublik Deutschland ca. 40 Milliarden Euro an Schuldzinsen 
bezahlt." 
Ein argumentativer Konsens über derartige Behauptungen ist 
zumindest im Prinzip m�glich durch Verweis auf übereinstimmende Beobachtungen.
2. Behauptungen, die beinhalten, wie die Wirklichkeit beschaffen sein soll (Norms�tze, 
Werturteile). 
Ein Beispiel für eine normative Behauptung ist der Satz: "Gerade in einer Zeit zunehmender Entfaltung von 
Staatst�tigkeit ist darauf zu achten, dass diese nicht zu einer 
Entm�ndigung des Menschen  
f�hrt."
Ob und - wenn ja - wie sich ein argumentativer Konsens über 
normative Behauptungen herstellen lässt, ist umstritten. H�ufig wird jedoch 
durch Verweis auf Interessen bzw. Willensinhalte der Menschen argumentiert. 
3. Behauptungen über die Bedeutung von Texten und Zeichen (hermeneutische 
Behauptungen)
Ein Beispiel hierfür ist der Satz: "Das englische 
Wort 'proposition' bedeutet im Deutschen soviel wie 'Aussage'."
4. Behauptungen über theoretisch konstruierte Modelle (modellbezogene 
Behauptungen)
In diese Kategorie geh�ren alle Aussagen, die sich 
auf theoretische Modelle, "Idealtypen", "allgemeine Begriffe" oder ähnliches 
beziehen und nicht auf in der Wirklichkeit vorfindbare Ph�nomene. Solche 
theoretischen Modelle spielen in den Sozialwissenschaften eine gro�e Rolle, wenn 
auch nicht in dem Ma�e wie in der Mathematik, die sich nicht mit konkreten Bereichen der Wirklichkeit befasst sondern nur mit der Analyse 
konstruierter Modelle wie Dreiecken, Zahlenfolgen, Funktionen etc.
5. Behauptungen über das richtige wissenschaftliche Vorgehen (methodologische 
Behauptungen).
Ein Beispiel für eine Behauptung über 
methodologische Regeln ist die folgende Textpassage: 
"Wir bedürfen ... offensichtlich einer 
gr��eren Pr�zision in unserer Sprache. Dennoch erreicht Pr�zision vielleicht 
nicht immer, was wir m�chten. Denn je gr��ere Pr�zision wir suchen, umso st�rker 
können wir den allgemeinen Begriff aufsplittern, so dass ein umfassender 
überblick unm�glich wird." (aus R. A. DAHL, Die politische Analyse, M�nchen: 
List 1973, S. 35). 
Diese verschiedenen Arten von Behauptungen erfordern jeweils 
unterschiedliche Methoden der Gewinnung und Überpr�fung, so dass hierfür 
spezielle Methodologien entwickelt werden m�ssen. Diese können auch den 
zahlreichen Unterarten von Behauptungen gerecht werden.
***
Siehe auch die folgenden thematisch verwandten Texte in der Ethik-Werkstatt:
Methodologie der empirischen Politikwissenschaft
Methodologie der normativen Politikwissenschaft
 
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Ethik-Werkstatt: Ende der Seite "Allgemeine Methodologie der Wissenschaft" 
/
Letzte Bearbeitung 07.11.2013 / Eberhard Wesche  
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